Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Kind aber sechs Wochen alt wurde, starb die Mutter. Ihre letzte Bitte 
an den Mann war, das Kind zu ihren Eltern nach Scheidenbach zu 
tun. Er tat dies aber nicht, sondern nahm eine Wärterin an. Da 
erschien nun täglich die Mutter des Kindes in der Behausung des 
Mannes, setzte sich auf die Ofenbank, der Wiege des Kindes gegen— 
über und sah unverwandt nach dem darin liegenden Knaben. Aach 
einer Weile erhob sie sich wieder, ging zur Türe hinaus und ver- 
schwand. Das beunruhigte den Mann; er gab das Kind nun zu 
seinen Schwiegereltern nach Scheidenbach, wo es aufgezogen wurde, 
und von dem Tage ab erschien die tote Wöchnerin nicht mehr. 
13. Tote verhelfen Lebenden zu ihrem Recht. 
Gräße, Bd. 1I, AUr. 543; Lehmann, Historischer Schauplatz. S. 947. 
Im Jahre 1694 hat man in einer Bergstadt von der Frau 
eines Fleischers erzählt, daß sie vier Wochen nach ihrem Begräbnis 
wiedergekommen sei. Dieselbe hinterließ den Ruf eines frommen 
und eingezogenen Lebens, beklagte sich auch verschiedene Male über 
das böse Wesen, was ihr zweiter Mann mit Fluchen und Streiten 
nebst den Kindern treibe und sagte, sie werde sich ein Leid tun 
müssen. ZKurz darauf starb sie und hinterließ eine arme Schwester 
welche bei dem Witwer allerhand Erbstücke suchte, aber nichts er- 
halten konnte. Trotzdem daß diese Erbforderung gerichtlich bei- 
gelegt war, wollte sich doch die blutarme Schwester nicht abweisen 
lassen und vergoß viele Tränen. Der Witwer lag aber krank 
nebst seinem Sohne allein in der Unterstube. Da kommt um 
Mlitternacht ein Gespenst in Gestalt der Verstorbenen und setzt sich 
vor sein Bette; er erschricht und fängt an zu beten: „Gott der 
Bater, wohne uns beil!“ Dies tut er dreimal, aber die ge- 
spenstige Frau will nicht weichen, der Kranke RBann nicht fort und 
schwitzt gar sehr. Es schlägt 12 Uhr, da meint er, nun werde sie 
fortgehen, aber sie bleibt bis nach 2 Uhr sitzen, da fängt er an: 
„alle guten Geister loben Gott den Herrn!“ Sie antwortet zwei 
Schritte zurüchtretend: „ich auch!“ Der Kranke fragt: „was wollt 
ihr hier? gehet hin, wo ihr hingehört.“ Sie antwortet: „ihr sollt 
meiner Alagdalena (so hieß ihre arme Schwester) nicht alles nehmen!“ 
Und damit fuhr der Geist zum vordern Fenster hinaus. Eine
	        
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