Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 712 — 
kommen und, uneingedenk jener alten Prophezeiung, bleibt er nicht 
dabei, als dieselben in die dicke Mauer einzuhauen beginnen. Die— 
selben schlagen nach ihrer Gewohnheit mit ihren Spitzhacken über 
Kopfhöhe ein. Auf einmal stürzt unter den Steinen ein eisernes 
Kistchen herab, der Deckel desselben springt im Herunterfallen von 
selbst auf, die erwähnten Pfeile, ein vergilbtes Pergament und ein 
großer Schlüssel in der Form der alten Kirchenschlüssel fallen heraus, 
und als man dem herbeigerufenen Schloßherrn das Gefundene 
überliefert, Kann natürlich niemand angeben, nach welcher Seite hin 
der Schlüssel ursprünglich in dem RKistchen gelegen hat. Zwar machte 
man nun abermals Versuche mit Nachgraben, allein man fand nichts. 
Aun hoffte man aus jenem Pergamente etwas Näheres zu 
erfahren, allein siehe, es war in Schriftzügen geschrieben, die zu 
keinem bekannten Alphabet zu gehören schienen. Da hört jener 
Herr von Einsiedel zufällig, daß ein Leipziger Professor, namens 
Kapp (sollte dies nicht eine Namensverwechselung mit dem berühmten 
Heidelberger Paläographen Fr. U. Kopp sein?), sehr geschickt in Ent- 
zifferung alter Urkunden sei; man schicht ihm dieselbe also, ohne 
daran zu denken, vorher eine getreue Kopie nehmen zu lassen; und 
siehe, wie als ob ein neidisches Schickhsal der Familie auch diesen 
letzten Anhaltpunkt rauben wollte, es kommt bei diesem Mann 
Feuer aus und das Dokument verbrennt. So liegt denn jener 
Schatz, von dem die erste Nachricht wahrscheinlich in jenes Kloster 
durch den dorthin geflüchteten letzten katholischen Burgkaplan nach 
eingeführter Reformation gelangt war, noch heute ungehoben; die 
Pfeile hat zu Gräßes Zeiten) der dermalige Besitzer des Schlosses, Haupt- 
mann von Einsiedel, noch als Knabe gesehen, dann scheinen sie verloren 
gegangen zu sein, allein das eiserne Kistchen und den großen Erb- 
schlüssel zeigt man noch heute (7) als die freilich bis jetzt nutzlosen 
Wahrzeichen des Schlosses. Sonderbar genug hat aber im vorigen 
Jahrhundert eine Somnambule zu Brüssel, zu der, weil man von 
ihrem wunderbaren Hellsehen dort großes Aufhebens machte, ein in 
jener Stadt lebender Berwandter gegangen war und ihr über das 
Schloß Gnandstein verschiedene Fragen vorgelegt hatte, im magneti- 
schen Schlafe sowohl die Lage, als die Bauart, das Detail der Auf- 
fahrt ins Schloß und überhaupt die ganzen Bäumlichkeiten daselbst 
so genau beschrieben, wie dies Kaum ein dort Geborener oder Er- 
zogener zu tun vermöchte, ja zu verstehen gegeben, daß, wenn man
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.