Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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treten und hier mit Bier und einer Pfeife Tabak bewirtet werden. 
Dann kommt ein Bauer aus dem Dorfe, einen zinnernen Teller in 
der Hand, und gibt jeder der genannten Personen (die Schüler aus— 
genommen) einen Groschen, so der Ablaßgroschen heißt, dem Ober— 
pfarrer aber einen Taler. Hierauf wird in die Kirche gelauten, 
und alles zieht in Prozession in dieselbe, wo gesungen und Gottes— 
dienst gehalten wird, dann wandert alles aus dem Gotteshause 
zum Matspachter in dessen große Scheuntenne, wo zwei Tische ohne 
Tischtuch und rundherum Stühle stehen. An diese setzen sich die 
Obengenannten nach der Ordnung und was von Fremden etwa 
anwesend ist; vor der Scheune und im Hofe bleibt aber das zum 
Zusehen zusammengekommene Volk stehen. Wenn alle Stühle be- 
setzt sind, bringt der Pachter schönes weißes Brot, Butter, Käse, 
und besonders auf einem runden Kuchendechel einen runden Ziegen- 
käse von der Größe eines Schleifsteines, dann aber auch Bier in 
Krügen, und jeder kann nach Belieben zulangen. Hierauf nimmt 
der Stadtrichter von Geithain den großen Ziegenkäse vor sich und 
schneidet davon Scheiben ab, die er auf einen hölzernen Teller legt, 
und dann denselben zuerst dem Oberpfarrer überreicht, der ihn 
wieder seinem Nachbar gibt, und so macht der Teller die Runde 
an beiden Tischen, bis jeder seine Portion erhalten hat. Dieser 
Käse wird jedoch von den wenigsten gegessen, sondern nebst einem 
Stücke Weißbrot in Papier gewickelt, mit nach Hause genommen 
und von da aus weit und breit verschicht, weil ihm dieselbe Kraft 
zugeschrieben wird, die man im Mierseburgischen den sogenannten 
Grünen Donnerstagsbroten in oder aus dem Kreuzgange erteilt. 
Nach Zerteilung des Käses kann übrigens jedermann nach Hause 
gehen. Dieser Gottesdienst und die Mahlzeit nachher geschieht aber 
zum Gedächtnis, daß der bekannte Tetzel hier seine Ablaßkrämerei 
getrieben und in der dortigen Gegend während der Fastenzeit hat 
Butter und Käse genießen lassen. Da er sich nun Butter und Käse 
stüchweise bezahlen ließ, so sind die dortigen Einwohner auf den 
Gedanken gekommen, Käse von solcher Größe zu machen, um da- 
durch etwas von dem Ablaßpfennige zu sparen.
	        
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