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worfen habe, wo ihr täglich nur eine halbe Semmel zur Zehrung
gereicht werde, und weiter, daß die Selkischen schon im Anzuge
seien, um dieserhalb den Posterstein zu belagern. Eilig zog der
Hauptmann mit seiner auf den Bat der Zigeunerin verkleideten
Mannschaft — sie legten nämlich gelbe Kleider an, die sie in der
ganzen Gegend unkenntlich machten — den Selkischen zu Hilfe vor
die Burg des alten RNitters und forderte diesen auf, mit ihm zu
kämpfen. Der ließ sich dies auch nicht zweimal bieten, denn er
war ein Riese von Gestalt und meinte den jungen Burschen zu er-
drüchken. Da er aber zum drittenmal vergeblich gegen jenen an-
gerannt war, schonte ihn sein Herausforderer nicht länger und hieb
den alten Riesen so durchs Haarwachs, daß er alsbald tot vom
Pferde fiel. Alle drangen jetzt in die Burg, und der Anführer der
gelben Schar lief durch alle Gemächer, die Geliebte zu suchen, die
er auch glücklich heimbrachte. Weil nun die Frau des alten NRäuber-
hauptmanns meinte, es tauge nicht, daß unter einem Dache zwei
Frauen wirtschafteten, zog sie aus, um sich anderweitig anzubauen.
Ihr Haus hieß hernach, gegenüber demjenigen des Sohnes, die
Moder oder „Die Mutter".
1000. Die Entstehung von Werdau.
Eisel a. a. O., Nr. 828; Köhler a. a. O., Ar. 525, nach Göpfert, Ge-
schichte des Pleißnergrundes, Zwickau 1795, S. 267; dazu Mitteilungen
von Lehrer R. Fritzsche in Werdau.
Ein Bischof namens Egidius jagte einst, als die ganze Gegend
von Werdau noch Wald gewesen, an diesem Orte. Er verirrte sich
dabei, und als er sich, von der Jagdanstrengung ermattet, in der
grausigen Einsamhkeit niedersetzte, schlief er ein. Im Traume schreckten
ihn die wilden Tiere des Waldes; aber plötzlich fuhr er, von einem
Geräusch geweckt, aus dem Schlafe auf und rief: „Wer da?m?“ Es
hatte sich nämlich ein verwundetes Reh vor ihm niedergeworfen
und die Läufte auf des Bischofs Schoß gelegt. Miitleidsvoll zog
der Gottesmann den Pfeil aus der Wunde und befreite das Tier
von seinen Qualen. — Nach mühevoller Wanderung fand er glück-
lich den Weg zu den Seinen. Unterwegs aber hatte er beschlossen,
die Bäume auszurotten, eine Stadt anzulegen und an dem Orte,
Die Sage ließe sich auch im 3. Teile (romant. Sagen) unterbringen.