Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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L 29. Die Sage vom Abendmahlskelche in der Klosterkirche 
zu Grimma. 
Gräße, Bd. J, Ar. 317; Die frühern Mitteilungen über diese Sage hat Lorenz, 
Chronik von Grimma, Bd. I, Leipzig 1856, S. 58 ff. zusammengestellt, er 
zweifelt aber ohne Grund an der Wahrheit dieser Sage. 
Zwischen dem später in die jetzige Landesschule verwandelten 
Augustinerkloster zu Grimma und dem durch die Flucht der Katha- 
rina von Bora berühmt gewordenen Nonnenkloster zu Aimbschen 
hat in früherer Zeit eine Berbindung durch einen unterirdischen 
unter der Mulde hinführenden Gang bestanden. Den Ausgang 
desselben im Klostergarten zu Aimbschen konnte man im vorigen 
Jahrhundert noch als die Mündung eines alten Kellers sehen. 
Seit dem Neubau der Schule ist dieselbe mit Steinplatten wie der 
Fußboden des übrigen Kreuzganges neben der Kirche belegt, so 
daß sie sich durch nichts mehr auszeichnet, sie befindet sich aber 
rechts im Wink#eel von dem früher zum Tanzunterricht benutzten 
Zimmer. 
Einige Jahre nach der Umgestaltung des alten Klosters zu 
einer gelehrten Schule ist dem damaligen Rektor derselben, dem be- 
rühmten Philologen und neulateinischen Dichter Adam Siber hinter- 
bracht worden, daß man aus jenem damals noch allgemein bekannten 
Gange, dessen Eingang verschlossen war, zuweilen des Machts Stimmen- 
gewirr und Gesang vernehme. Er versammelte also die stärksten 
und ansehnlichsten seiner Primaner um sich — diese waren damals 
Männer mit Bärten und 25—30 Jahre alt, von etwas männlicherem 
Aussehen wie unsere heutigen Studenten —, man versah sich mit 
scharfgeschliffenen Scchwertern und guten Facheln, und so stieg man 
guten Muts in den geöffneten Gang hinab. Derselbe ging natür- 
lich nicht gerade aus, sondern war wie alle derartigen Schächte in 
Krümmungen angelegt. Als man nun aber um die Eche einer 
solchen Galerie gekommen war und das Licht der Fackeln von der 
eingeschlossenen Luft in seiner Helligkeit vielfach behindert ward, 
trat ihnen auf einmal aus einer Mauerblende ein eisgrauer schwarz 
gekleideter Mönch entgegen, der sie fragte, was sie wollten, und 
als er sie auf ihre Antwort, sie wollten den Gang untersuchen, ver- 
geblich zur Umkehr aufgefordert hatte, ebenso schnell verschwand, 
wie er gekommen war. Diese Erscheinung wiederholte sich, als sie
	        
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