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II. Allgemeine Stellung der Bürgerschaft.
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1. Die Bürgerschaft ist formell die Mitinhaberin der höchsten
Staatsgewalt. Sie ist jedoch (wie oben § 13 f. des weiteren aus-
geführt) thatsächlich auf eine Teilnahme an der Gesetzgebung und ge-
wisse, meist auch in den anderen deutschen Bundesstaaten den an der
Gesetzgebung teilnehmenden Volksvertretungen eingeräumte Befugnisse
beschränkt. (S. das Nähere unten S§ 40 f.).1
2. Besondere Ehrenrechte stehen der Bürgerschaft nicht zu. Die
Repräsentation des Staates ist allein Sache des Senats.
3. Die Bürgerschaft ist, wie der Senat und jede andere gesetz-
gebende Versammlung, durch den 8 106 des Reichsstrafgesetzbuchs ge-
schützt gegen eine Vergewaltigung (Auseinandersprengung; Nötigung
zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen; gewaltsame Ent-
fernung von Mitgliedern; durch Gewalt oder durch Bedrohung mit
einer strafbaren Handlung bewirkte Verhinderung von Mitgliedern, sich
an den Ort der Versammlung zu begeben oder zu stimmen). Vgl.
oben S. 76.
4. Eine Beleidigung der Bürgerschaft ist, wie die jeder anderen
deutschen gesetzgebenden Versammlung, kein Antragsdelikt. Dieselbe
darf jedoch nur mit Ermächtigung der Bürgerschaft verfolgt werden.“
1 Grotefend sagt von den Bürgerschaften der Hansestädte: „Die politische
Personifikation der Unterthanen der drei Republiken ist die Bürgerschaft. Diese
ist die fingierte Gesamtheit der Unterthanen und vertritt dieselben ganz in der
Weise, wie die Ständeversammlung das politische Organ der Unterthanen in den
Monarchien ist. Es sind die Gesamtrechte der Unterthanen dem Staate gegen-
über, welche auch die Bürgerschaft in den Republiken zu vertreten hat. — Diese
Gesamtrechte sind aber genau dieselben, welche den Unterthanen der monarchischen
Staaten eignen, eben weil der Begriff der Unterthanenschaft in beiden Arten der
Staaten ein völlig gleicher ist. Vor allem gehört darum die Anteilnahme an
der Gesetzgebung zu dem Wirkungskreise der Bürgerschaft, aber auch die Be-
teiligung an der Staatsregierung (namentlich an der Finanzverwaltung) steht der
Bürgerschaft zu, welche die Ständeversammlung in den Monarchien geltend
machen kann.“ (Das Deutsche Staatsrecht der Gegenwart, 1863, S. 768.)
2 Strafgesetzbuch § 197.