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Die Grenzen zwischen der Stadt und dem Landgebiete sind
natürlich im Laufe der Zeit nicht dieselben geblieben. Die erstere
mußte sich allmählich auf Kosten des letzteren vergrößern. Doch
vollzog und vollzieht sich dieser Prozeß der Ausdehnung der Stadt-
grenzen, wie auch an anderen Orten, nicht ohne ein Übergangsstadium.
An die eigentliche Stadt schlossen sich Vorstädte und Vororte, die
eine Art Mittelding zwischen Stadt und Land waren resp. sind.
Zur Zeit der Einführung der neuen Verfassung gab es zwei
Vorstädte, die nach den Schutzheiligen ihrer Kirchen St. Georg und
St. Pauli genannt wurden. Die Vorstadt St. Georg ist im Jahre 1868
in aller Form mit der Stadt vereinigt. Auch St. Pauli, das offiziell
noch Vorstadt heißt, ist dies staatsrechtlich nicht mehr, nachdem 1875
die ihm vorgesetzte Specialbehörde, das sog. Patronat, aufgehoben
anderes bestimmen wird.“ Das bisherige Verhältnis kann demnach im Wege
der Gesetzgebung abgeändert werden. — H. Schulze sagt in seinem Deutschen
Staatsrecht (Buch 1, S. 513): „Bei der so unendlich überwiegenden Bedeutung
der Stadt, welche dem Gemeinwesen ihren Namen giebt, wäre es eine abstrakte
Konsequenzmacherei gewesen, wenn man derselben, als Ortsgemeinde, eine be-
sondere Vertretung hätte einräumen wollen.“
In Bremen ist die Stadt „nach dem Buchstaben der Verfassung“ (8 84)
nur eine der Gemeinden, aus denen sich das Gebiet des Staates zusammensetzt.
„Doch überragt sie auch jetzt noch die anderen Gemeinden dermaßen an Be-
deutung, daß sie trotz der begrifflichen Durchführung der Trennung auf vielen
Gebieten praktisch noch immer mit dem Staate zusammenfällt. Die Organe des
Staates sind zugleich Organe der Stadtgemeinde. Die verfassungsmäßige Thätig-
keit von Senat und Bürgerschaft erstreckt sich ebensowohl auf die rein kommunalen
Angelegenheiten der Stadt wie auf die staatlichen Angelegenheiten, mit der
einzigen Modifikation, daß die Bürgerschaft in rein städtischen Sachen als sog.
Stadtbürgerschaft unter Ausschluß derjenigen Mitglieder fungiert, welche von den
Hafenstädten und dem Landgebiete deputiert sind oder welche persönlich nicht An-
gehörige der Stadtgemeinde sind. Auch eine Trennung des Vermögens und der
Finanzverwaltung von Staat und Stadt ist bisher nicht durchgeführt.“ (Sievers,
Brem. Staatsrecht, a. a. O., S. 81.) — In Lübeck besteht eine mit verfassungs-
mäßigen Organen und selbständigem Gemeindevermögen ausgestattete Stadt-
gemeinde Lübeck. „Ihre Verwaltung ist aber auf's engste mit der des Staates
verbunden; sie vollständig von derselben loszulösen, hat sich aus verschiedenen
Gründen verboten. Namentlich beschließen Senat und Bürgerschaft in ganz
gleichem Maße, wie über die Angelegenheiten des Staates, so auch über die Ge-
meindeangelegenheiten der Stadt. Eine Sonderung der staatlichen und kommu.
nalen Dinge besteht in Bezug auf die Vermögensverwaltung, aber nur bis zu
einem gewissen Grade.“ (Klügmann, Lüb. Staatsrecht, a. a. O., S. 61.)