Die Volksschule. 97
Eine zweite Rücksicht der Zweckmässigkeit ist, dass die Schullehrer
eine genügende wirthschaftliche Existenz erhalten müssen, wenn nicht alle
Bemühungen um Hebung der Schule doch schliesslich ohne bedeutenden
Erfolg bleiben sollen. Es ist nun aber eine vollkommene Unmöglichkeit
eine solche Verbesserung zu bewerkstelligen, wenn die Gemeinden die
doppelte Anzahl von Schulen unterhalten, was natürlich, direct oder indirect,
immer der Fall sein muss, wo noch neben der Staatsschule eine zweite er-
richtet wird. Ob die .Kirche die Mittel für die Letztere in dieser oder
jener Weise beschafft, ob z. B. durch Kirchensteuern, durch Schulgeld,
durch Vermächtnisse, ist dabei völlig gleichgültig. Die Bevölkerung hat sie
eben zu leisten, und zwar die Bevölkerung jeder einzelnen Gemeinde. Die
unvermeidliche Folge hiervon ist aber, dass die Lehrer in beiden Schulen
nur schlecht bezahlt werden können, also beide in einen unbefriedigenden
Zustand gerathen, beziehungsweise in demselben verharren. — Es wird
also oft mit einem erhöhten Aufwande entschieden weniger für die Volks-
bildung geleistet werden selbst als bisher, und können jeden Falles weitere
Verbesserungen, deren Verwirklichung schon lange angestrebt wurde, gar
nicht erreicht werden.
Es ist ferner in einer vorstehenden Erörterung als nothwendig nach-
gewiesen worden, dass der Geistliche Mitglied der Ortsschulbehörde sei,
und als wünschenswerth wenigstens, dass er den Vorsitz in derselben fülıre.
Ueberhaupt hängt unzweifelhaft ein guter Theil des Gedeihens einer Volks-
schule, namentlich auf dem Lande, von der eifrigen Theilnahme des Orts-
geistlichen ab, und ist von einer Gleichgültigkeit oder gar einer feindseligen
Gesinnung und Richtung desselben viel Schlimmes für die Schule, den
leehrer und die Bildung zu befürchten. Anstatt einer wohlwollenden Be-
theiligung ist nun aber gerade das Gegentheil zu erwarten, wenn der Geist-
liche selbst an der Spitze einer Gegenschule steht, oder ihm wenigstens
die Pflege und Begünstigung derselben durch Befehl seiner Oberen und
durch eigene Neigung nahe gelegt ist. Wie leicht kann er sogar seine
Stellung in der Ortsschulbehörde dazu missbrauchen, um die Gemeinde-
schule in ihrem Gedeihen zu schädigen und zu hindern. Man rede da
nicht von Gewissen und Billigkeit, welche solches verhindern werden;
gerade das Gewissen, wie beschränkt und unrichtig es immer sein mag,
kann zur rücksichtslosen Begünstigung dessen, was man für besser hält,
drängen. Und lıat man etwa nie, auch in ungeren Tagen nicht, von Fana-
Kirchengenossenschaft Opfer zu bringen, weiche alle ibroe Abgaben für andere öffentliche
Zwecke häufig weit übersteigen, nach unseren Begriffen geradezu hbaarsträubend sind. Die
Bevölkerung kann es in den itzigen Zuständen des Landes bezahlen und will es bezahlen;
allein os folgt daraus weder, dass es verständig und nützlich Ist, noch dass wir, die wir In
ganz anderen staatlichen und wirthschaftlichen Verhältnissen leben, es auch zu leisten ver-
möchten oder eine unnöthige Annäherung au solche Zustände billigen müssten.
v. Mohl, Staatsrecht Bad. III. 7