Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Volksschule. 99 
Jugendbildung, darin besteht, der Kirche den ganzen religiösen Unterricht 
selbstständig zu überlassen, dagegen die für das weltliche Leben erforder- 
lichen Kenntnisse ausschliesslich vom Staate bestimmen zu lassen, und zu 
diesem Ende auch die Leitung der Schule fest in die Hand zu nehmen, 
ist oben ausführlich erörtert worden. Wenn nun die Geistlichkeit die Befug- 
niss besässe, neben den vom Staate errichteten und geleiteten Schulen ein 
zweites von ihr gestiftetes und nur von ihr abhängiges System von Schulen 
za errichten, so wäre die unvermeidliche Folge die, dass ein grosser Theil 
des vom Staate ebeu erst gewonnenen Rechtes und Einflusses ihm wieder 
entzogen würde, die Bildung der Jugend in allen ihren Beziehungen aber, 
so weit diese Besitzergreifung reichte, in die Hände des Clerus käme und 
voraussichtlich in seinem Sinne und zu Gunsten seiner lerrschaftsgelüste 
geordnet würde. Auch wäre mit höchster psychologischer Wahrscheiulich- 
keit zu erwarten, dass der Gegensatz beider Einrichtungen in der cleri- 
ealen Schule nicht etwa zur Förderung einer gemässigten und Frieden er- 
möglichenden Gesinnung benützt werden, sondern er viclmehr zu der schärfsten 
Ausbildung staatswidriger Auffassungen führen würde. Die hieraus für den 
Staat entstehenden Nachtheile und die üblen Folgen für den inneren 
Frieden des Landes bedürfen nicht erst einer Auseinandersetzung. Eine 
grosse Selbsttäuschung aber wäre es, wenn man diese Gefahr desshalb 
minder anschlagen wollte, weil der katholischen Geistlichkeit doch im 
Grunde an Volksunterricht nicht viel gelegen sei, und sie also auch sich 
wenig bemühen werde, solche zu Stande zu bringen; oder etwa desshalb, 
weil es der Geistlichkeit nur in seltenen Fällen gelingen werde, die Mittel 
zur Gründung und Unterhaltung einer zweiten Schule neben der vom Staate 
bereits in jeder Gemeinde veranlassten Schule zu gewinnen, und somit von 
einer weitern Verbreitung etwaiger Ucbelstände nicht die Rede sein könne. 
Es mag allerdings ein einflussreicher Theil des katholischen Clerus an 
Volksschulen keino grosse Freude haben; und dass er da, wo ihn nichts 
äusserlich drängt, solche auch nicht stiftet, ersieht man aus den Beispielen von 
Spanien, Italien u.9. w. Allein hier ist der Fall ein anderer. Die Staats- 
schule ist jeden Falles vorhanden; eine clerikale Gegenwirkung kann nicht 
durch Stillesitzen, sondern vielmehr nur durch Errichtung von Altar. gegen 
Altar erreicht werden. Geldmittel aber sind zu finden. Esist richtig genug, 
dass schon die Beischafflung des durch die Staatsgesetze vorgeschriebenen 
Aufwandes für die Ortsschule in manchen rohen oder armen Gemeinden 
mit Mühe ‚zu erlangen ist. Auch wird es an verständigen Männern wohl 
kaum irgendwo fellen, welche sich gegen einen durch kein Bedürfniss der 
Bevölkerung nöthig gemachten doppelten Aufwand erklären. Allein diess 
Alles ist kein Grund anzunehmen, dass es der Geistlichkeit nicht gelingen 
werde, in nicht allzulanger Zeit in den meisten Gemeinden die Mittel für 
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