Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

100 Die Volksschule. 
ihre Schulen aufzubringen. Sie hat mächtigere und zahlreichere Bei- 
bringungsmittel als der Steuererheber. Vermächtnisse und Schenkungen 
werden zu erlangen sein; durch die Frauen kann Einfluss auf die Familien- 
väter ausgeübt werden; früher oder später ist vielleicht die Mehrheit der 
Gemeindevorsteher, wenn auch etwa nur vorübergehend, aber während dieser 
Zeit nutzbar, zu gewinnen; Hirtenbriefe können nachhelfen; man wird sich 
für den Anfang ärmlich behelfen, für wohlfeile Lehrer aus geistlichen 
Korporationen sorgen. Man lasse der Sache nur den Lauf und man wird 
über das Ergebniss erstaunen. — Die logisch unabweisbare Folgerung aus 
diesen Erwägungen aber ist, dass eine unbedingte Freigebung des Rechtes 
zu Gründung von Schulen nicht zugegeben werden kann, vielmehr der 
Staat alle Ursache hat, sich gegenüber von der katholischen Kirche in dieser 
Beziehung sicher zu stellen. 
Endlich ist nicht aus den Augen zu lassen, dass ein unbeschränktes 
Recht zu Gründung von Schulen unfeblbar eine ausgedehnte Wirk- 
samkeit und Verbreitung von geistlichen Orden zur Folge haben wird?). 
In Ländern, welche solche Orden überhaupt gestatten, kann diess gar 
keinem Zweifel und nicht einmal irgend einer Schwierigkeit unterliegen. 
Bekanntlich gibt es geistliche Korporationen beider Geschlechter, welche die 
Ertheilung ‘von Unterricht zum alleinigen Gegenstande haben, mehrere 
sogar, welche sich nar mit dem Volksunterrichte beschäftigen. Wenn nun 
dieselben auch in denjenigen katholischen Ländern, in welchen ihre Dienst- 
leistungen am meisten nöthig gewesen wären, sich ihrer Pflicht nur spärlich 
entledigt haben, vielleicht haben entledigen dürfen, so würde sich diess in 
solchen Ländern, in welchen die katholische Kirche in Wettbewerbung mit 
dem Staate in Betreff der Volksschule treten wollte, unzweifelhaft ganz 
anders stellen. Die Zahl der von solchen Orden gestifteten und unmittel- 
bar besorgten Schulen würde sich sehr vermehren, und noch häufiger 
würden Mitglieder solcher Orden zu Lehrern in den von der Säculargeist- 
lichkeit veranlassten Schulen berufen werden. Die vom Staate etwa ver- 
anstalteten Prüfungen wären kein nennenswerthes Hinderniss dagegen, da 
die Bildung der Novizen schnell den gestellten Forderungen "-mäss ein- 
gerichtet werden könnte. Ueber den von solchen Lehrern in den Schulen 
gepflanzten Geist können keine Täuschungen bestehen; es genügt, sich 
daran zu erinnern, dass gerade die verbreitetsten dieser Schulorden den 
Jesuiten affiliirt sind. — Aber auch in solchen Ländern, welche Klöster 
oder geistliche Orden überhaupt nicht gestatten oder nur etwa mit be- 
1) Geradezu als Forderung der Kirche stellt die Denkschrift der bayer'schen Bischöfe, 
8. «0, die freie Wirksamkeit und unbeschränkte Zulassung „kirchlich-religiöser Privat-Asso- 
ciationen, welche Unterricht und Erziehung zu ihrer Aufgabe machen,“ auf. Natürlich ge- 
schieht es auch von Riese.
	        
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