Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

116 Die Universitäten. 
man vielleicht gewohnheitlich für unbedingt notbwendig und sich von selbst 
verstehend erachtete, recht gut auch fehlen oder wesentlich anders bestimmt 
sein kann. Die beiden Verfahrensarten schliessen sich aber auch gegen- 
seitig nicht aus, vielmehr können sie neben einander, oder vielmehr hinter 
einander, angewendet werden, und ist dann auf ein um so gründlicheres 
und allseitigeres Verständniss zu hoffen. 
Gerade bei dem vorliegenden Gegenstande scheint eine solche doppelte 
Betrachtungsweise angezeigt zu sein. Gewöhnt an die in Deusschland 
überall mit grosser Gleichförmigkeit durchgeführte Gestaltung der Univer- 
sitäten können wir uns leicht verleiten lassen, einen Gedanken oder eine 
Einrichtung als selbstverständlich richtig zu betrachten, daber ohne Kritik 
an denselben vorüberzugehen, während deren Zufälligkeit und vielleicht 
grosse Eigenthümlichkeit bei dem ersten vergleichenden Blicke auf die aus- 
ländische Universität zu Tage tritt. Es handelt sich in dieser Sache zu- 
nächst von der Gewinnung einer freien Auffassung, hierzu aber muss man 
sich über die einzelne Erscheinung stellen; dann mag man um so sicherer 
in die innere Untersuchung eingehen. 
Vergleicht man nun zunächst verschiedene Systeme von Hochschulen, 
so kann die Auswahl nicht zweifelhaft sein. Nur von den deutschen, den 
französischen und den englischen Universitäten kann es sich handeln; die 
russischen sind wesentlich nach dem deutschen Vorbilde eingerichtet, die 
italienischen sind noch in einem ganz chaotischen Zustande, welcher sich 
wohl zu einer wesentlich französischen einheitlichen Organisation gestalten 
wird; die amerikanischen endlich sind in jeder Beziehung so verschieden 
und zum Theile noch so wenig ausgebildet, dass hier nichts für uns zu 
lernen ist. 
Die Schilderung der genannten drei Arten von Universitäten wird wohl 
am passendsten geschehen nach den drei Gesichtspunkten, äussere Ge- 
staltung und Ordnung, der gesetzlich oder nach Grewohnlıeit gestellten 
Aufgabe, endlich der materiellen und der geistigen Mittel. — Die Er- 
gebnisse folgen von selbst). 
  
1) Ucber die Geschichte der Universitäten überhaupt sind vor Allem zu beachten: 
Meiners, Geschichte der Entstehung und der Entwicklung der hoben Schulen. Gött, I-IV, 
1808 fg.; Savigny, Geschichte des Römischen Rechts im M. A., Bd. III. 8. 136 (g.; Ar- 
nold, Schools and Universities on the Contincnt. Lond., 1868. Das englische Unirversitäts- 
wesen hat geachichtlich sehr gründlich aber schwerfällig behandelt: Huber, Geschichte der 
engi. Universitäten. I. Il. Kassel, 1839. Eine kürsere nnd lebendigere Ucbersicht giebt 
Roscher, in der Deutschen Vierteljahrsschrift, 1861, H. 1, 8.39% fg.; cine noch gedrängtere 
8ybel in seinem geistreichen Schriftchen: Die deutschen und die auswärtigen Universitäten. 
Bonn, 1863. (Reides ursprünglich akademische Reden.) Höchst interessant und In alle Einzel- 
heiten der Zustände, namentlich auch der Missbräuche und Unzureichenbeiten, einweihend 
Int der Parlaments-Bericht: Oxford and Cambridge Universities Education Bill. Minutes of 
Eridence, taken before the Belect Committee. Pres. July 31,1867. Von den zahlreichen ßtreit- 
schriften über die Zustände der englischen Universitäten sind namentlich diejenigen von
	        
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