Die Universitäten. 117
I. Deutsche Universitäten ').
1. Ordnung und Erscheinung. — Obgleich die deutschen Uni-
versitäten niemals unter derselben Staatshoheit und Leitung standen und
eigentlich jedes Land ganz nach seinem Gutfinden hätte seine Einrichtungen
treffen können, so findet doch eine wunderbare Gleichheit nicht nur im
Organismus sondern auch im Geiste derselben statt. Die einzelnen Abwei-
chungen von dem Typus sind so unbedeutend, dass sie sämmtlich unbedenk-
lich in Einer Darstellung begriffen werden können,
Unsere Universitäten sind itzt überall Staatsanstalten, dotirt und in
oberster Instanz geleitet vom Staate; also nicht mehr selbstständige Kor-
porationen, fromme Stiftungen, bestätigt von Papst und Kaiser; lebend von
eigenem Gute, mit Gerichtsbarkeit bis zu Leben und Tod. Zum Theile
besitzen sie allerdings noch Reste cigenen Vermögens und corporativer Ein-
richtungen; allein dieselben sind untergeordnet und verschwinden immer
mehr gegenüber von den itzigen Bedürfnissen und Sitten. Sie sind ein
wesentlicher Theil eines systematischen Unterrichtsorganismus, und die Uni-
versitas literarum bedeutet itzt nur eine umfangreiche Studienanstalt, nicht
mehr eine Gesammtheit klösterlicher Anstalten und sonstiger wissenschaft-
licher Korporationen, wie solche bei der Entstehung im Mittelalter sich zu
einem Ganzen an einander anschlossen. Selbst in dem Sinne sind sie nicht
mehr universell, dass wenigstens die gesammten hölıeren Wissenschaften auf
ihnen gelehrt werden; die polytechnischen Anstalten haben einen Theil der
mathematischen und physicalischen Fächer an sich gezogen.
Untergeordnet sind die Universitäten überall eineın Ministerium, zu-
weilen mit der Zwischenstufe eines Kanzlers oder Curators. An Ort und
Stelle aber bestehen eigene collegialische Behörden zur Verwaltung und
Leitung. An der Spitze steht der Itector, jährlich gewählt von den Amts-
genossen; derselbe ist der Repräsentant der Anstalt im Innern und gegen
Aussen und der oberste vollziehende Beamte. Zuweilen führt der I.andes-
fürst selbst den Titel eines „rector magnificentissimus“. Unter dem Vor-
Wichtigkeit, welche das ganze System derselben den deutschen Hochschulen zu nähern
rathen ; unter diesen aber wieder besonders zu nennen: Pattison, Suggestions on academical
organination. Oxf., 1868; Goldwin Smith, The re-organisation of the U. of Oxford. T,ond.,
1868. Das (ranzösische Universitätswesen Ist sehr übersichtlich bebandelt in Block, Diction-
nalre de l’administration francalse, art. instraction publique. Die Verhältnisse der deutschen
Universitäten sind notorisch und jedem Geblideten bekannt; eine Anführung der zabireichen
Literstur über dieselben wäre daher nutzlos.
1) Es bestehen drei und zwanzig Universitäten in Deutschland, nämlich In Preussen:
Berlin, Bonn, Halie, Breslau, Königsberg, Grelfswalde, und ttzt Göttingen, Marburg, Klei; in
Bayern: München, Würzbnrg, Friangen; in Sachsen: Leipzig; In Württemberg: Tübingen;
in Baden: Heidclberz und Freiburg; In Hessen: Giessen; in den kleineren sächsischen Län-
dern: Jena; in Mecklenburg: Rostock. Hierzu die österreichischen Universitäten in Wien,
Prag, Gratz und Innspruck. Nar eine philosophische und eine theologische Facuität hat
in Preussen die Akademie in Münster.