Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Wie immer ein künftiger Geschichtschreiber das gegenwärtige Zeit- 
alter beurtheilen mag in Betreff der mit Bewusstsein aufgestellten Ziele 
oder instinetmässig eingeschlagenen Richtungen, endlich der erreichten Er- 
folge oder erduldeten Missgeschicke, die Gerechtigkeit wird er ihm wohl 
angedeihen lassen anzuerkennen, dass selten oder nie gleichzeitig so viele 
grosse Aufgaben gestellt waren und also zu deren Lösung ein ganz unge- 
wöhnliches Maass von Kräften erforderlich ist. Oder ist es etwas Gewöhn- 
liches, dass eben itzt neben einander erstrebt werden muss: eine vollstän- 
dige Um gestaltung des gewerblichen Lebens jeder Art, herbeigeführt durch 
grosse mechanische Eintdeckungen, durch die Eisenbahnen , Dampfschiffe, 
Telegraphen, durch die Auflösung der gebundenen bäuerlichen Verhältnisse; 
eine Vertheidigung des neuzeitlichen Staates und des ganzen Bestandes der 
geschichtlich entstandenen Gesittigung gegen neu erwachte Angriffe einer 
geistlichen Macht, welche vortrefflich organisirt ist, über höchst bedeutende 
Kräfte verfügt und sich in der Wahl ihrer Mittel nicht bedenklich erzeigt, 
die Einschaltung eines neuen vierten Standes in den Organismus des socialen 
Lebens, dessen Zufriedenstellung eben so nothwendig ist, als seine For- 
derungen widersprechend sind mit dem, was bisher als elementarste Wahr- 
beit in der Rechts- und Güterlehre gegolten hat; endlich, wenigstens bei 
zwei grossen Völkern, die Vereinigung seit Jahrhunderten getrennter Bruch- 
stücke zu einem nationalen und staatlichen Ganzen, und zwar trotz der 
widerstrebenden Bemühungen anderer grosserReiche und innerer mächtiger 
Berechtigungen und Interessen? Und daran nicht einmal genug. Neben 
diesen unermesslichen Aufgaben ist auch noch anderen Forderungen gerecht zu 
werden, welche zwar weniger in’s Gewicht fallen für das Gesammtgeschick 
von Deutschland und von Europa, auch zum Theile keine ganz neuen Ge- 
staltungen nöthig machen, sondern nur die Entwicklung und Verbesserung 
bereits bestehender Einrichtungen, die aber doch von so grossem Umfange 
sind und denen so viele Schwierigkeiten entgegenstehen, dass auch sie eben- 
falls ungewöhnliche Anstrengungen der Staatskraft und des Gedankens cr- 
fordern und zu anderen Zeiten allein schon als ein würdiges Ziel für ein 
Volk und als eine Bezeichnung für eine Periode erachtet würden. So die, 
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