Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

144 Die Universitäten. 
hörern zu Recht gelegt zu werden pflegen; davon abgesehen, dass die 390- 
gleich näher zu besprechende Lernfreiheit ihnen die gänzliche Vermeidung 
eines missbilligten Lehrens gestattet. Dass im Uebrigen diese Freiheit, wie 
jede andere -im Staate, eine durch das Gesetz und durch das Oberaufsichts- 
recht der Regierung gezogene Gränze hat, verstebt sich von selbst. Der 
Nachweis verbrecherischer oder mit den Sittengesetzen unvereinbarer 
Lehren rechtfertigt anstan.los die Entfernung cines Lchrers, welcher sich 
so weit vergisst; ebenso die Unterlassung einer genügenden Erfüllung der 
übernommenen Pflicht, sei es aus Trägheit oder was immer einer anderen 
Ursache; ein scurriler oder beleidigender Possenreisser ist des Katheders 
unwürdig; endlich darf sich ein Lehrer der Theologie nicht von den Grund- 
lagen der Kirche entfernen, deren Priester er bilden soll. In allen diesen 
Fällen mag möglichste Nachsicht geübt, anfänglich nur mit Milde einge- 
schritten werden; es ist jede doctrinäre Einseitigkeit und Verfolgungssucht 
strengstens zu vermeiden: allein sicher wäro es staatlich widersinnig und 
gegenüber von der zu erzichenden Jugend geradezu gewissenlos, die Ueber- 
tragung eines Lehrstubles als ein Privilegium zu Verbrechen, Pflichtwidrig- 
keit oder Gemeinheit zu behandeln. — Zweitens aber ist zur Herstellung 
einer vollkommenen Lehrfreiheit erforderlich, dass nicht bloss die vom 
Staate zum Unterrichte in einem bestimmten Fache bestellten Lehrer dieses 
zu vertreten berechtigt sind, sondern dass auch: jeder andere Gelehrte, 
welcher der Universität bereits angehört oder sich ihr anschliessen will, die 
Befugniss hat, Vorlesungen über die gleichen Gegenstände zu halten. Somit 
also muss es einerseits jedem Professor gestattet sein, neben einer voll- 
ständigen Erfüllung der von ihm übernommenen amtlichen Aufgabe auch 
noch in anderen Fächern, welchen er sich aus Liebhaberei zugewendet 
haben mag, zu lehren; sondern es sind auch ganz Freiwillige zum Unter- 
richte zuzulassen, natürlich nach geliefertem Beweise ihrer wissenschaft- 
lichen Befähigung und einer sittlichen und bürgerlichen Untadelhaftigkeit, 
damit nicht die Universität cin Asyl für Abentheurer werde und die 
Studirenden nicht in die Hände von Unwissenden fallen. Soll denn aber die 
Lehrfreiheit wirklich, und nicht bloss dem Scheine nach, bestehen, so muss 
der bei freiwillig auftretenden Lehrern jeglicher Kategorie genossene 
Unterricht bei etwaigen sei es disciplinarischen sei es Prüfungs-Vorschriften 
völlig gleichwiegen mit dem von den bestellten Professoren ertheilten. 
Gewöhnlich wird eine volle Lernfreiheit der Studirenden als das 
Correlat der Lehrfreiheit betrachtet. Diess ist ein offenbarer Irrthum. 
Beide Freiheiten können neben einander bestehen, und sie bestehen auch 
auf den deutschen Universitäten thatsächlich bis zu einem. gewissen Grade 
neben einander; allein eine logisch nothwendige Verbindung zwischen ihnen 
ist nicht zu ergehen. Vielmehr ist es vollkommen denkbar, dass Lehrern
	        
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