146 Die Universitäten.
socialen Erziehung der ihr anvertrauten Jünglinge, so wie deren körper-
liche Ausbildung, so gut wie gar nicht betont, indem sie lediglich die
Vollendung der wissenschaftlichen Ausbildung ins Auge fasst. Allerdings
ist mit der Setzung dieser Hauptaufgabe eine Sorge für andere Seiten des
geistigen Lebens nicht unvereinbar; allein sie liegt doch auch nicht streng
nothwendig in deren Folgerung, und ist daher auch in der That wenig
beachtet, kaum mehr, als eine äussere, und noch dazu nicht eben strenge
Ordnung des Zusammenlebens erfordert.
Vergleicht man dio im Vorstehenden aus dem Gedanken der deutschen
Universität abgeleiteten Folgerungen und Bemerkungen mit den in der
Wirklichkeit vorliegenden Zuständen, so ist es sehr erfreulich, dass in
manchen und sehr wichtigen Beziehungen diese Lobenswerthes darbieten.
Unsere Universitäten sind ihrer Aufgabe, die ihnen zugewiesenen
Wissenschaften in ihrer vollen Entwicklung zu lehren, getreu und sind
keineswegs zu blossen Abrichtungsanstalten herunter gesunken. In manchen
Beziehungen, namentlich in den Naturwissenschaften, leisten sie wohl mehr,
als je zuvor.
Unter den Lehrern sind, wie zu jeder früheren Zeit, viele höchst aus-
gezeichnete Männer, die ersten ihrer Fächer weit und breit. Die Universi-
täten sind immer noch die Hauptsitze der Gelehrsamkeit und der wissen-
schaftlichen Forschung, wenn auch allerdings eine vermehrte Thätigkeit auf
den geistigen Gebieten sich anderwärts kund thut. Die Berufung berühm-
ter und tüchtiger Männer ist immer noch die eifrigste Bemühung und der
Stolz jeder Hochschule.
Der Ausdehnung des Wissens und Forschens ist vielfach durch Grün-
dung neuer oder durch Spaltung früherer einzelner Lehrstühle Rechnung
getragen. So haben namentlich die Naturwissenschaften eine noch vor
einigen Jahrzehnten gar nicht geahnete Ausdehnung erhalten, und ist neben
der klassischen Philologie eine reiche Cultur der vergleichenden Sprach-
kunde und der orientalischen Literatur entstanden.
Diesen Ausdehnungen der Lehrgegenstände entsprechend, sind vielfach
die sachlichen Lehr- und Untersuchungsmittel vermehrt und gesteigert
worden. Auf vielen Universitäten sind Prachtgebäude für Sammlungen oder
sonstige Institute entstanden, zumeist für naturwissenschaftliche Zwecke.
Bibliotheken, Instr t lungen u. 8. w. sind vermehrt worden.
Die Lebrfreiheit ist unangetastet, und wenn dann und wann ein, noch
dazu nicht immer unverdienter, Eingriff in dieselbe gemacht worden sein
‚sollte, so hat die dadurch entstandene allgemeine Bewegung und der bitter
darübgr ausgesprochene Tadel nicht nur Wiederholungen verhindert, son-
dern es ist durch die Ausnahme die Regel bestärkt worden.