148 Die Universitäten.
Aerzte und Naturforscher, der Besuch blosg einer Universität und die Be-
nützung ihrer Mittel lange nicht mehr hinreichend ist. Endlich ist wohl
nicht zu läugnen, dass das höhere politische Leben der Nation der, wenig-
stens relativen, Bedeutung der Universitäten nicht förderlich ist. Es haben
sich nicht nur in den vielen Ständeversammlungen Mittelpunkte für geistiges
Interesse gebildet, welche bei weitem mehr Anziehungskraft Iıaben, als das
gelehrte Stillleben der Hochschulen; sondern es sind auch in der That in
der Tagespresse, so’ viel dieselbe zu wünschen übrig lässt, so wie in den
Reden und Berichten der öffentlichen Versammlüngen, Quclien selbst lıöberer
Belehrung entstanden, welcho jenen Anstalten der Natur der Sache nach
nichts an die Seite zu stellen haben.
Ein zweiter, mit’ dem zuletzt erwälnten Verhältnisse eng zusammenbängen-
der Uebelstand ist die itzt manchfach und gerade bei schr ausgezeichneten
Männern hervortretende Neigung, mit dem akademischen Lehramte auch eine
politische Thätigkeit zu vereinigen. Die Erscheinung lässt sich leicht begreifen.
Nicht Jeder ist befriedigt durch eine blos wissenschaftliche Tbätigkeit; er
will auch in das wirkliche Leben eingreifen; nun hat sich aber in dieser
Beziehung die Stellung der Universitäten sehr zu ihrer Ungunst verändert.
Während in der Zeit der Religionskämpfe den Gelehrten eine Hanptstimme
in der Alle bewegenden Angelegenheit zustand und auch gebührend von
ihnen geführt wurde; während in der zweiten Hälfte’ des achtzelnnten Jahr-
hunderts das allgemeine Streben nach Aufklärung, wissenschaftlicher und
ästhetischer Bildung von den Hochschulen hauptsächlich gefördert wurde:
ist es ihnen itzt nicht möglich, in Ansehen und Einfluss mit den Stände-
versaommlungen zu wetteifern. Der Katheder ist hinter die Tribüne weit
zurückgetreten. Ein Abgeordneter, welchem Rednertalent zur Seite steht,
und welcher sich auf ein grosses Partleiinteresse stützt, mag in Einer Stunde
mehr Ehre ärnten und Grösseres wirken, als der gelehrteste Professor und
beliebteste Lehrer in einem ganzen Jahre, um nicht zu sagen in seinem
ganzen Leben. Dass diese verlältnissmässig geringere Wirksamkeit auf die
Lust zur Beschreibung einer akademischen Laufbahn numerisch Einfluss
übe, soll zwar nicht behauptet werden angesichts des immer noch schr be-
deutenden Andranges zu derselben; wobl aber ist die Thatsache nicht zu
läuguen, dass sich überall Viele, so bald sie nur könuen, neben dem Lehr-
stuhle auch die Abgeordnetenbank zu besetzen streben, weil es sie mehr
reizt, zu einer grossen Versammlung von Männern, ja zum ganzen Volke
zu reden, als in einem kleinen Zimmer zu einigen Jünglingen; und weil sie
es natürlich vorziehen, ihre Lieblingsideen selbst und an der Stelle, wo sie
unmittelbar wirksam sein können, zur Sprache zu bringen, als sie auf gut
Glück durch Lehre oder Schrift der spätern Beachtung von Dritten zu
empfehlen. Und zwar ist dieses keineswegs etwa allein der Fall bei Lehrern