Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

1. 
Die Volksschule. 
Vor Allem ist es nöthig, den Ausgangspunkt und die gegenwärtige 
Sachlage festzustellen. 
Glücklicherweise ist es in gesitteten Ländern, namentlich in Deutsch- 
land, nicht nöthig, erst einen Organismus für die Volksschulen zu gründen, 
d.h. für diejenigen Öffentlichen Lehranstalten, welche für den Unterricht 
der Kinder der unteren Bevölkerungsschichten bestimmt sind. Noch ist es 
auch nothwendig, erst das System zu ersinnen, nach welchem der Unter- 
richt und die Erziehung in dieser Art von Schulen am besten ertheilt wird. 
Aeussere Ordnung und inneres Leben sind, besonders in protestantischen 
deutschen Ländern, schan seit Jahrhunderten vorhanden und haben nur, 
je nachdem sich die Bedürfnisse erweiterten, Fehler und Missgriffe sich 
geltend machten, oder ein neuer praktischer Gedanke Anerkennung fand, von 
Zeit zu Zeit Verbesserungen erfahren. Selbst in solchen Gegenden, welche 
früher in diesen Beziehungen vernachlässigt waren, namentlich also in den 
früheren geistlichen Gebicten, ist durch die politischen Veränderungen aın 
Anfange dieses Jahrhunderts eine Gleichstellung allmählig eingetreten. In 
ganz Deutschland) stehen somit hinsichtlich des staatlichen Verhaltens zur 
Volksschule nachstehende Grundsätze im Wesentlichen seit lange fest: 
ı) Es bedarf wohl keiner Rechtfertigung, dass in den beabsichtigten Erörterungen ledig- 
Heh die deutschen Volksschnleinrichtungen zu Grunde gelegt sind. Die Absicht Ist nicht, 
eine allgemeine theoretische Besprechung des Vulksschulwoaens vorzulegen, oder auch nur 
die Beziehungen dosselben zum staatlichen und gescllschuftlichen Leben ilberhaupt zu ent- 
wickeln; sondern es handelt sich davon, zu untersuchen, ob aus den neucster Zeitin Deutsch- 
land In die Erscheinung getretenen stautlichen Zuständen und Einrichtungen neue Forderun- 
gen an unsere Volksschulen gemacht werden müssen. Boll die Beantwortung dieser Frage 
eine Bedentung für das l,oben haben, so muss sie sich solbstredend ganz auf der Grundlage 
des Ihatsächlich Gegebenen bewegen, sel dieses nun mehr oder weniger volikomnien an sich, 
and mögen andere Völker das Bcedürfnies einer Bildung der grossen Volksmenge so oder 
anders zu befriedigen für gut finden. — Im Vebrigen ist es wohl nicht befangene Belbstüber- 
schätzung, wenn wir überzcugt sind, dass unser Bystem der Volksschulen dus entschieden 
beste unter den betreffonden gesetzlichen Einrichtungen der europäischen Cultinrvölker genannt 
sa werden verdient. Abgesehen von theoretischen Gründen, mit welchen wir unsere Grund-
	        
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