Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

196 Die Universitäten. 
und machen sich die Folgen einer so armselig zugebrachten Jugend später 
nur allzu oft fühlbar in I,ebensweise, Gesinnung und Wissen. Allein gerade 
das Vorhandensein vieler und kleiner Hochschulen bot gar Manchen die 
Mittel, selbstständig, wenn auch mit Beschränkung, ihre Studien zu machen. 
Endlich möchte es nicht der kleinste Nutzen zahlreicher Universitäten 
gewesen sein, dass dieselben das System der Berufung und des häufigen 
Wechsels der Lehrer begünstigten. Dieses System gibt nun aber nicht blos 
eine grössere Wahrscheinlichkeit guter Besetzung jeder cerledigten Stelle, 
als das eigene Nachzichen bei derselben Anstalt, sondern es trägt auch 
ausserordentlich viel bei zur Verhinderung von örtlicher Verdumpfung und 
von Versteinerung in Ansichten und Lehrmetlioden. Ausserdem ist diese 
nicht blosse Möglichkeit sondern selbst Leichtigkeit eines Wegzuges der 
hauptsächlichste Grund der grossen Selbstständigkeit des deutschen Profes- 
sorenstandes. Einem tüchtigen Manne darf man nichts Unrechtes bieten, 
will man nicht Gefahr laufen ihn bald ganz zu verlieren; und wenn sich 
dann je etwas der Art begibt, so kann sich der Gekräukte oder Becngte 
in bessere Verhältnisse flüchten. 
Mit Einem Worte also: auch die kleinen deutschen Universitäten sind 
schr nützlich gewesen, und sie haben sogar ganz eigenthümliche Vortheile 
dargeboten. 
Um so mehr ist cs daher zu bedauern, dass sich die Verhältnisse mehr 
und mehr zu ihren Ungunsten umgestaltet haben. Nicht etwa in der Art, 
dass die socben aufgezählten vortheilbaften Seiten erloschen wären. Sie 
bestehen im Gegentheil, wenigstens grösstentheils, noch immer und sind un- 
trennbar mit dem Vorhandensein der in Frage stehenden Anstalten ver- 
bunden; aber es haben sich neben ihnen Verhältnisse in den Wissenschaften 
und Bedürfnisse für Leliranstalten gebildet, welchen diese kleineren Hoch- 
schulen nicht mehr gewachsen sind. Die unbefangene und vollständige Auf- 
zählung dieser neuen Gestaltungen und Forderungen wird den Beweis dieser 
Behauptung liefern. 
Vor Allem ist nicht in Abrede zu ziehen, dass eine Reihe von Wissen- 
schaften, namentlich fast sämnitliche Naturwissenschaften, jetzt eines aus- 
gedehnten und kostspieligen Apparates bedürfen, um auf ihrer ganzen Höhe 
gehalten werden und den irgendwo in der Welt gemachten Fortschritten 
ond Entdeckungen folgen zu können, und dass die Zahl der zu ihrer Be- 
arbeitung nöthigen Lehrer weit grösser geworden ist. Die Zeiten sind 
vorüber, in welchen es genügte, wein in einer alten Schlossküche einige- 
male im Halbjahre ein paar plumpe chemische Versuche angestellt wurden; 
wenn in einem kleinen Gärtchen hinter dem Universitätshause ein paar 
Hundert Pflanzen standen; wenn einige mangelhafte Skelette und ein paar
	        
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