Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Universitäten. 291 
Sinne, also die praktische Entwicklung der materiellen und geistigen Be- 
standtheile des Völkerlebens, so wie des gegenseitigen Erlialtens der ver- 
schiedenen Staaten und Staatengruppen zu einander wo nicht zuerst gedacht, 
so doch mit Bewusstsein dargestellt worden. Auf der andern Seite hat A. 
Smith es möglich gemacht, die ökonomisch-politischen Disciplinen, also die 
Volkswirthschaftspflege und die Finanzwissenschaft, auf sichere Grundlagen 
zu stellen und systematisch zu entwickeln; ist die Polizei aus ihrem chao- 
tischen und principlosen Zustande gezogen worden; hat das Verwaltungs- 
recht und die Verwaltungspolizei eine selbstständige Stellung gewonnen und 
wisgenschaftliche Ebenbürtigkeit wenn auch noch keine Vollendung nach- 
gewiesen. Durch die zu gleicher Zeit eingetretene Ausbildung der privat- 
wirthschaftlichen Fächer aber, namentlich also der Forstwissenschaft, Land- 
wirthschaft, Technologie und der Handelslehre, haben die sämmtlichen poli- 
tischen Wissenschaften wichtige materielle Stützen erhalten. So dass, wenn 
man die zu keiner Zeit vernachläsigten Fächer des Staats- und Völkerrechts 
und der allgemeinen Politik dazu nimmt, jetzt jede Richtung und Beziehung 
des Staatslebens wissenschaftlich erforscht und entwickelt, das Ganze aber 
in einen harmonischen, überall ineinandergreifenden Zusammenhang gebracht 
ist. Kurz, die Zeit ist weit hinter uns, in welcher die älteren Fakultäts- 
wissenschaften die Unwissenschaftlichkeit, Unbildung und Zerstücktheit des 
«Kameralwesens» in sicherer Vornehmheit bespötteln und verachten konnten. 
Die Staatswissenschaften haben nicht nur ihr Dasein überhaupt erwiesen, 
sondern es wagt auch Niemand ınehr, ihnen Gleichstellung mit den älteren 
Wissenszweigen in Beziehung auf Gelehrsamkeit und formale Behandlung 
abzusprechen. 
Schon dieser scientivische Zustand wäre an sich hinreichender Grund, 
um die Ausdehnung des Universitätsunterrichtes auf die gesammten Staats- 
wissenschaften zu verlangen. Allein es kommt noch dazu, dass gerade in 
der jetzigen Phase der Menschheitsentwickelung Öffentlicher Unterricht in 
dem politischen Wissen eine unabweisbare praktische Forderung ist. Dreht 
sich doch seit Ende des vorigen Jahrlıunderts Alles in dem europäisch ge- 
sittigten Theile der Erde um die Ordnung des Zusammenlebens der Men- 
schen. Was haben die erdbebengleichen Erschütterungen und Umkehrungen 
anders beabsichtigt, als eine andere Gestaltung der socialen und staatlichen 
Verbältnisse? Wofür haben Millionen geblutet, sind ungezälhlte Milliarden 
ausgegeben, halbe Welttheile verwüstet worden, als für politische Zustände, 
welche den Bedürfnissen oder den I,aunen besser entsprechen sollten? Was 
bewegt in diesem Augenblick uns Alle mit Furcht, Hoffnung oder Verzweif- 
lung, als eben unsere Meinung, wie der Zustand der Dinge in der politi- 
schen und in der socialen Welt nächstens, künftig sein werde, könne, müsse, 
und das Bestreben, je nach den Verhältnissen des Einzelnen zu einem seinen
	        
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