222 Die Universitäten.
Wünschen entsprechenden Gange beizutragen? Beherrscht nicht der staat-
liche Gredanke und die staatliche Richtung die beiden andern unser Ge-
schlecht noch am meisten in Anspruch nelımenden Leidenschaften, den Drang,
reich zu werden und den neu aufgestachelten Glaubenseifer? Unter diesen
Unsständen kann denn auch kein Theil des menschlichen Wissens von häu-
figerer und wichtigerer Anwendung sein, als die Kenntniss von dem, was
in äussern oder innern Staatssachen Recht ist, wie das hinsichtlich ihrer
Wünschenswerthe zu bewerkstelligen ist und wie die Mittel beizubringen
sind, was in der Welt von ähnlichen oder entgegengesetzten Zuständen schon
vorhanden war, oder irgendwo in fernen Landen noch besteht. Und zwar
ist ein solches umfassendes staatliches Wissen nicht blos für die Hoch-
stehenden, von deren Ermessen der Gang der Dinge im Grossen abhängt,
und für ihre untergeordneten Beamten als Ausführende nothwendig, sondern
es kann in der That kein gebildeter Mann, welchen Standes und welcher
Beschäftigung er sei, desselben ganz entbehren, damit er sich wenigstens
Rechenschaft darüber geben kann, was um ihn und mit ihm vorgeht. Wie
zu Zeiten der Reformation selbst die Fürsten und Soldaten mehr oder
weniger ‘Theologen sein mussten, so muss jetzt der über das blose Hand-
werk strebende Tlicolog und Arzt einige politische Kenntnisse haben, kann
der Gutsbesitzer, der Advocat, der Kaufmann nicht unterlassen zu wissen,
wovon im Staate die Rede ist, sollte selbst die grosse Menge der Bürger
und Bauern, welche zur Abgabe ihrer Stimmen in wichtigen politischen
Fragen berufen worden sind, wenigstens einige Begriffe von derselben haben.
Natürlich können sie nicht Alle ein besonderes Studium machen; allein es
müssen Viele da sein, welche durch gründliche Fachbildung verlindern,
dass nicht die Ideen und Handlungen der Dilettanten ins Bodenlose und
Widersinnige verfallen.
Ueberdiess besteht in Deutschland insbesondere noch ein weiterer, wenn
man will, tiefer stehender, allein wegen seines unmittelbaren Fingreifens
ins Leben uud Studium doch sehr zu beachtender Umstand. Es ist diess
die Einrichtung, dass in allen deutschen Staaten für Bekleidung der Ver-
waltungsstellen eine eigene sichere Laufbahn besteht, in welcher der Beamte
nicht viel weniger als der Richter in der seinigen geschützt ist, so lange
er nicht durch Vergehen der strafenden Gerechtigkeit anheimfällt. Diese
in mehr als Einer Beziehung höchst einflussreiche und im Ganzen gewiss
sehr wohlthätige Anordnung hat denn namentlich auch die Folge, dass zum
Behufe der einstigen Versehung solcher Aemter eine cben so gründliche,
ausgedehnte und kostspiclige Vorbereitung möglich ist, als für die Laufbahn
des Richters oder Rechtsanwaltes. Bei uns ändert nicht jede neue politische
Constellation und jedes neue Ministerium das gesammte höhere Personal
in dem Ministerium des Innern und der Finanzen. Es haben also die