Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

in seinem Verhältnisse zur Bildung. 257 
schiebung von fremden Arbeiten, ja selbst (in Frankreich) die Unterschie- 
bung falscher Persönlichkeiten; diess und noch vieles Andere sind täglich 
vorkommende Erfahrungen. Und zwar helfen hier weder Strafdrohungen 
noch die Abverlangung von Ehrenwort, noch ängstliche und fast schimpfliche 
Bewachung. Das Interesse ist noch schlauer, die Angst und Verzweiflung 
kecker und gewissenloser. Und nicht immer sind es sittlich verdorbene 
Menschen, welche sich zu diesen Fehlern hinreissen lassen; es bringt auch 
wohl ehrenwerthe Menschen übertriebener Mangel an Selbstvertrauen, ein 
nur in dieser Wirkung unerlaubter Ehrgeiz, Furcht vor Strenge des Vaters, 
kurz em sehr erklärliches menschliches Motiv dazu. Es wäre aber verkehrt, 
eine solche Täuschung als einen leichtsinnigen Jugendstreich anzusehen, 
als ein Schelmstückchen, über das ınan lacht, wenn os gelingt, das man 
verzeiht, falls es missrathet. Es ist eine unsittliche, unrechtliche Handlung; 
es ist leicht ein Wurm, der nicht immer im Gewissen schläft. Freilich 
ergiebt sich daraus nicht, dass keine Prüfungen stattfinden sollen, damit 
kein Betrug bei ihnen vorkomme. Man kann nicht der Ansicht sein, dass 
alle Gesetze in der Welt aufzuheben scien, damit kein Verbrechen gegen 
dieselben begangen werde. Aber erlaubt wird es immer sein, darauf auf- 
merksam zu machen, dass bier eine üble Folge in die Erscheinung tritt. 
Es ist oben behauptet worden, dass ausser den unbedingten und mit 
dem Wesen der Staatsdienstprüfunge enhängenden Nachtheilen auch 
solche bestehen, welche durch die Art der Einrichtung bedingt seien, somit 
verschieden bei verschiedenen Modalitäten erscheinen, nirgends aber ganz 
fehlen. Diess verhält sich folgeudermaassen. Der Auftrag, Namens des 
Staates za prüfen, kanı zweierlei wesentlich verschiedenen Personen anver- 
traut werden. Entweder werden dazu Beamte aus dem praktischen Staats- 
dienste gewählt, und zwar so, dass die Mitglieder bestimmter hochgestellter 
Behörden ein für allemal dazu bezeichnet sind. Oder aber cs wird der 
Auftrag Universitätslehrern gegeben. Zuweilen sind auch beiderlei Ein- 
richtungen in der Art verbunden, dass eine erste rein theoretische Prüfung 
den Professoren obliegt, eino zweite praktische den Beamten. Es ist nun 
aber zu erweisen, dass jede dieser Einrichtungen ilıre eigenthümlichen und 
nicht unbedeutenden Missstände hat. 
Wird nämlich Praktikern der Auftrag gegeben, so ist zu gelahren, dass 
dieselben die Prüfungen auf eine unzweckmässige und für die Candidaten 
unbillige Weise vornehmen. Es liegt nämlich in der Natur der Sache, dass 
ein längerer praktischer Dienst das systematische und rein theoretische 
Wissen allmählig durchlöchert, indem nur die häufiger zur Anwendung 
kommenden Sätze dem Gedächtnisse vollkommen gegenwärtig bleiben. Ausser- 
dem wird es sich wenigstens sehr leicht begeben, dass neuere Ansichten und 
eine veränderte wissenschaftliche Behandlung zu so vielfach beschäftigten 
v.Mohl, Staatsrscht. Bd. III. 17 
 
	        
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