in seinem Verhältnisse zur Bildung. 959
doch wenigstens die Methode und die Lieblingssätze kennen lernen u. s. w.
Diess aber ist eitel Zeit- und Geldverlust für die Studirenden; und zwar
wolle man woll bemerken, in der Regel zu Gunsten schlechter oder wenig-
stens mittelmässiger Lehrer, indem die guten und vorzüglichen auch schon
obne diese Rücksichten ihre Zuhörer finden. Daran aber nicht einmal genug.
Dieser Zutrieb in die Vorlesungen ist ein entschiedenes Hinderniss, die re-
lativen Verdienste und den wirklichen Beifall der verschiedenen Universitäts-
lehrer kenneu zu lernen. Auch entschieden schlechte Lehrer finden auf
diese Weise Schüler; die guten stechen nicht gehörig vor. Daber denn
falsche Beurtheiluug im Publikum und bei den Vorgesetzten, wenn von Be-
förderungen, Begünstigungen, Entfernung von der llochschule die Rede wird.
Und ist die Sache gar so eingerichtet, dass einzelne Lehrer, z. B. die Pri-
vatdocenten oder die ausserordentlichen Professoren, keinen Antheil an den
Prüfungen zu nehmen haben, so ist der Klagen und der Ungewissbeit, mit
Recht oder nur angeblichermaassen, vollends kein Ende. Diesen Zustand
aber wolle man nicht als gleichgültig und der allgemeinen Beachtung un-
wert betrachten. Es handelt sich nicht etwa blos von Eifersüchteleien
der Professoren unter sich, sondern von der guten Besetzung der akade-
mischen Lehrstellen, welche denn doch für die Bildung des ganzen Volkes
und für die Interessen des Staates von wichtiger Bedeutung ist. Es ist
nicht zu viel behauptet, dass es jeder Universität an ihrem Personale und
an ihren Leistungen anzusehen sei, ob die Lehrer an den Staatsprüfungen
Antheil nehmen oder nicht. — Dann sei cs noch erlaubt beizufügen, dass
dieser Collegienzwang auch die weitere üble Folge hat, von dem Besuche
fremder Hochschulen mehr oder weniger abzubalten. Es wird vielleicht
von diesem oder jenem Examinator nicht gerne gesehen; man verliert die
Gelegenheit, seine Methode und seine Ansichten kennen zu lernen, und
was dergleichen Rücksichten weiter sind. Nun aber ist sicher dieser Besuch
fremder Hochschulen ein bedeutendes Bildungsmittel und für manchen jungen
Mann ein Surrogat für eigentliche Reisen, zu welchen es ihm an Mitteln fehlt.
Nichts leichter, ruft man vielleicht entgegen, als diesen Uebeln sämmt-
lich abzuhelfen! Wenn die Beauftragung der akademischen Lehrer mit so
bedeutenden Nachtheilen für die Hochschulen verbunden ist, so entlebe
man jene allerdings dieses Geschäftes, und zwar alle, damit nicht einzelne
ein Monopol gegenüber von ihren Amtsgenossen erhalten; und wenn bei
den älteren Praktikern häufig eine wissenschaftliche Verknöcherung eintritt,
so vermeide man es, die sämmtlichen Mitglieder gewisser Behörden, z. B.
der obersten Gerichte, Consistorien u. s. w., als solche zu den Prüfungen
zuzuziehen. Dagegen wähle man aus der Gesammtzalhl der Staatsdiener,
obne Rücksicht auf Rang und Dienstalter, ja sogar vielleicht vorzugsweise
unter den jüngeren, die fähigsten und gelehrtesten aus. Diesen aber
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