Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

Die Volksschule. 19 
wöhnliche Geisteskräfte, ein schr einfacher Grad von Bildung und die 
Erfahrungen in den täglichen engsten L,ebenskreisen genügen. Es handelt 
sich hier von der Beurtheilung solcher Persönlichkeiten, welche jeder Wähler 
von Jugend auf und in allen ihren Beziehungen kennt. Die dem zu \Wäh- 
lenden obliegenden Aufgaben berühren Interessen, welche jeder Wähler 
theilt, deren gute oder schlechte Besorgung von unmittelbarer Bedeutung 
für ihn ist, welche er auch nach Umfang und Wichtigkeit zu überschauen 
vermag. Der Grad von Bildung also, welchen schon bisher die Volksschule 
in der ganzen Bevölkerung verbreitete, falls sie nur überhaupt nicht unter 
dem Durchschnitte der Leistungen stand, ist daher unzweifelhaft hier in 
der Regel ausreichend. Nur für die regelmässigen Verhältnisse können 
aber die Gesetze gemacht werden. Damit soll freilich nicht gesagt sein, 
dass nicht in einzelnen Fällen es von Interesse sein kann, wenn die Wähler 
ein Verständniss für aussergewöhnliche Eigenschaften eines Mannes besitzen. 
Wenn es sich z. B. von der Beseitigung alt hergebrachter und eingewurzelter 
Missbräuche in einer Gemeinde handelt, oder von der Wiedereinrichtung 
eines aus irgend einem Grunde zerrütteten Haushaltes, von der Versöhnung 
feindseliger Parteien, von der Durchführung einer grösseren Maassregel, 
welche mit der Zeit von entschiedenem Nutzen für die Gemeinde oder für 
die Einzelnen sein wird, zunächst aber gegen Vorurtleil oder kleinliche 
Selbstsucht durchgesetzt werden muss, u. dgl. mehr, dann kann allerdings 
eine mittlere Durchschnittsbrauchbarkeit nicht ausreichen und sollte der zur 
Gewältigung der Aufgabe Taugliche mit Menschenkenntniss und Sorgfalt 
aufgesucht werden. Es gilt dann vielleicht auch, sich nicht von lauten aber 
leeren oder selbstsüchtigen Schreiern oder von unfühigen Parteiführeru be- 
thören zu lassen. Dass nun in solchen Füllen höherer Grad von Bildung 
den Wählern die Herausfindung des richtigen Mannes erleichtern würde — 
und zwar nicht sowohl des besseren und melıreren Wissens wegen, als 
durch die eine solche Bildung voraussetzeude grössere Uebung der Geistes- 
kräfte, — soll nicht geläugnet werden; allein zu einer allgemeinen Stei- 
gerang der Forderungen an die Volksschule berechtigt doch sicherlich die 
Möglichkeit eines solchon seltenen Ausnahmszustandes nicht. Dies hiesse das 
Ziel überschiessen und würde in der praktischen und nüchternen Wirklichkeit 
doch keinen Erfolg haben. — In gleicher Weise verhält es sich mit den 
nöthigen Eigenschaften der zu solchen Gemeindeämtern Gewählten. Um in 
einem Gemeinderathe oder Bürgerausschusse die örtlichen Geschäfte zu ver- 
stehen und zu besorgen, ist eine gewöhnliche Bildung des Landmannes, 
beziebungsweise des Stadtbürgers ganz genügend. Etwas mehr freilich 
wird immerhin nothwendig oder wenigstens sehr wünschenswerth sein bei 
dem ersten Ortsvorsteher, dem Bürgermeister, Schultheissen oder wie er 
sonst in einem Lande genannt werden mag. Ein solcher muss schon etwas 
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