Social-Politik. 479
Organismen selbst den Staat gar nicht berühren, aus den Staatswissen-
schaften ganz verwicsen seien. Allerdings gibt es, wie oben angedeutet
wurde, gesellschaftliche Interessen, welche ohne Dazwischenkunft des Staates
geordnet werden können und deren Ordnung auch ganz gleichgültig für
ihn ist, (so die inneren Angelegenheiten einer Kirche,) oder welchen er
mit den ilım zu Geboto stehenden Mitteln nicht beikommen kann, obgleich
ihm eine bestimmte Regelung wünschenswerth wäre, (Verhältnisse, welche
sich aus der Racen- oder Stammverschiedenheit der Bevölkerung ergeben;)
dann mag die betreffende Gesellschaftswissenschaft sie erörtern, für die
Staatswissenschaften sind sie gegenstandlos. Allein diess ist keineswegs
immer oder auch nur regelmässig der Fall; vielmehr stehen die gesell-
schaftlichen Verhältnisse sehr häufig in einem doppelten Verhältnisse zum
Staate.e. Einmal nämlich kann es nöthig sein, dass er sich selbst gegen ein
ungebührliches Eingreifen eines gesellschaftlichen Zustandes oder einer
Gewalt dieser Art schütze, indem natürlich auch auf dieser Seite Un-
recht begangen werden oder eine Neigung zu Gewalttliätigkeit bestehen
kann, die durch die Vielheit von Theilnehmern erzeugte Macht aber um
so mehr ins Auge zu fassen ist. Andererseits aber kommt es sehr häufig
vor, dass ein gesellschaftliches Interesse Schutz oder Unterstützung vom
Staate verlangt, weil die Kräfte der zunächst Betheiligten nicht ausreichen.
Ein bedeutender Theil der gesammten polizeilichen Thätigkeit des Staates
fallt unter diese Kategorie. Es muss somit sowohl das Staatsrecht als die
Staatskunst sich vielfach, wissenschaftlich und praktisch, auch mit gesell-
schaftlichen Dingen befassen. Der Unterschied mit der früheren Behand-
lung ist lediglich der, dass man itzt, wenn klar vorliegt dass es sich von
einem gesellschaftlichen Verhältnisse handelt, im Stande ist, mit grösserer
Bestimmtheit zu beurtheilen, ob und in welcher Weise der Staat zum
Handeln veranlasst ist, und dass vielleicht Rücksichten genommen werden, auf
welche man ohne jene Einsicht in die Eigenschaft der Frage nicht aufmerk-
sam gewesen wäre.
Von selbst versteht sich, dass es nur Sache der formellen Methode ist,
ob man in einer Staatswissenschaft sämmtliche sich auf die Gesellschaft
beziebenden Lehren zusammenfassen, oder ob man sie bei den verschiedenen
aus einem anderen Eintheilungs- und Ordnungsgrunde sich ergebenden Ab-
schnitten behandeln will. Das eine Verfahren ist so berechtigt, wie das
andere; es wird auch durch die Wahl nichts in sachlicher Beziehung ge-
ändert, sondern nur der Standpunkt zu einer Uebersicht und Vergleichung.
Nor hat vielleicht eine Zusammenfassung den Vortheil einer einfacheren
und folgerichtigeren Behandlung und einer übersichtlicheren Darlegung der
Wichtigkeit der ganzen Sache. — Es lässt sich also namentlich eine Social-
Politik in dem Sinn denken, dass in Einem Systeme geordnet alle Grund-