Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

1. 
Volksfeste. 
Volksfeste sind nicht etwa bloss ein Gegenstand für künstlerische Dar- 
stellungen oder psychologische Schilderungen , sondern sie haben auch eine 
politische Bedeutung. Theils werden sie unmittelbar als Einwirkungsmittel 
zu Gunsten einer bestimmten Regierungsweise oder regierender Personen 
gebraucht, theils und hauptsächlich aber sind sie ein Kennzeichen der 
gesellschaftlichen Zustände und wiederum nicht ohne Einfluss auf diesel- 
ben. Sie verdienen also wohl auch von Seiten des Politikers eine genauere 
Beachtung, und es soll in Folgendem namentlich der Versuch gemacht 
werden, sie vom socialen Standpunkte aus zu würdigen. Bei der grossen 
Zahl und Ausdehnung, sowie der verschiedenen Art solcher Feste, wie sie 
in der itzigen Zeit fast in krankhafter Weise begangen werden, ist die 
Sache um so mehr der Mühe werth. 
L Formen und Arten. 
Je nach den Volkseigenthümlichkeiten und den Gesittigungsstufen sind 
die Volksfeste sehr verschiedener Art. In Griechenland bestanden sie 
theils in Aufzeigung der körperlichen Schönheit und Gewandtheit, theils 
im Genusse an Dicht- und Tonkunst; sie waren der Ausdruck einer fein 
angelegten, heiter sinnlichen, in manchen Beziehungen hoch gebildeten 
Nationalität. Ausserdem dienten sie in dem in viele Staaten zersplitterten 
Lande als nationale Vereinigungspunkte. In Rom hatten die Volksfeste 
vorwiegend einen kriegerischen Charakter, welcher bis zur empörendsten 
Grausamkeit und zum Ergötzen an massenhaften Hinschlachtungen von 
Menschen und Thieren gieng. Schon in der Zeit der Republik von ehrgeizi- 
gen Bewerbern um die hohen Staatsämter zur Gewinnung der Volksgunst 
benützt, waren sie im Kaiserreiche eines der Mittel, die Bowohner der 
Hauptstadt mit der Herrschaft eines Einzigen auszusöhnen, damit aber ihn 
v. Mohl, Stastsrecht. Bd. IIL 81