482 Volksfeste.
gegen unmittelbare Gefahren einer Empörung zu sichern. Die verweich-
lichte und absterbende Gesittigung von Byzanz fand nur an dem Flitter
und den Kunststücken der Rennbahn Vergnügen, welches sich aber fast
bis zum Wahnsinn steigerte. Im Mittelalter erscheinen die ritterlichen
Waffenspiele des Adels als der richtige Ausdruck des in Fehden verlau-
fenden Lebens und eines romantischen Frauendienstes, diese Zusammen-
künfte der herrschenden Klasse waren vornehm, ausschliessend, glänzend.
In den reichen und kunstgebildeten Städten, namentlich Italiens aber auch
Flanderns und Deutschlands, nahmen prachtvolle Aufzüge, in welchen Dicht-
kunst, Mythologie, Reiseerfahrungen und die zur Vertheidigung nöthigen
Waffenübungen in bunter Mischung um den Preis rangen, mit Erfolg die
Stelle der Turniere der Ritter ein. An sie schlossen sich in einzelnen
Städten die harmlosen und lärmenden Vergnügen eines allgemeinen Carne-
vals an, bei welchem sich jede neckische Lebenslust und jede närrische
Phantasie nach Belieben austoben konnte, ohne einen weiteren Zweck als
den der Freude und des Genusses. Auch die Kirche blieb nicht zurück,
sondern wusste durch grossartige und malerisch bunte Processionen, durch
Beleuchtungen ihrer schönsten Gebäude, durch aussergewöhnliche und wohl
selbst höchst wunderliche Formen der Andacht grosse Mengen zu versam-
meln und zu erfreuen, welche überdiess neben dem Vergnügen auch noch
Ablass ihrer Sünden gewinnen mochten. Als später das Ritterthum in das
Grab gestiegen war, das municipale Leben immer mehr erlosch, die Refor-
mation aber nicht nur in der protestantischen Kirche äusserliche Feste und
Aufzüge ganz beseitigte, sondern sie auch in der katholischen als weniger
passend erscheinen liess, kamen nur noch Hoffeste vor, welche die in
ihrer Person alle Bedeutung des socialen Lebens vereinigenden Für-
sten sich selbst und ibren Umgebungen gaben. Das Volk hatte zu be-
zahlen, wohl auch Frohndienste zu leisten, durfte aber nur aus ehrerbietiger
Entfernung dem Gebahren der Erdengötter zusehen. Einen andern Zweck,
als eine Nachahmung französischer Hofsitten, hatten solche Festlichkeiten
nicht; kaum den eines Vergnügens, zu welchem sie auch wenig angetban
waren. Nur in England bildeten sich Pferderennen immer mehr zu allge-
meinen Volksfesten aus, deren Veranstalter und eigentliche Theilnehmer
freilich zunächst nur die Vornehmsten und Reichsten waren, denen aber doch
Jeder nach Belieben als Gleichberechtigter beiwohnen konnte. Es war
somit auf dem Festlande schon ein entschiedener Schritt in die neuere Zeit
und ein Zeichen besserer Zustände, als da und dort Feste zwar vom Staats-
oberhaupte gegeben wurden, aber zur unmittelbaren Betheiligung des Volkes
und mit einem mehr oder weniger verständigen Zwecke, z. B. einer land-
wirthschaftlichen Ausstellung, einer Preisvertheilung, etwa auch einem Wett-
rennen. Eine wesentliche Aenderung der Dinge aber ist in der neuesten