Die Volksschule. 45
gemacht hatten, theils weil die grundsätzlich ausgesprochene Trennung
von Staat und Kirche nothwendig auch eine neue Regelung der bisher
ziemlich unklaren und folgewidrigen Beziehungen beider Gewalten zu der
Volksschule erforderte. Diese neue Gesetzgebung ging dann natürlich syste-
matisch und von dem Standpunkte des neuzeitlichen Staates aus, was manch-
fache und zum Tbeile althergebrachte Ansprüche und Gewolinheiten verletzte.
Andrerseits hat die katholische Kirche in Folge ihres täglich mehr hervor-
tretenden Versuches, die mittelalterlichen hierarchischen Ansprüche möglichst
wieder in Jas Leben zu führen, auch in Beziehung auf das Schulwesen
grössere Forderungen gestellt als bisher, jedenfalls sich der gesetzlichen
Thätigkeit des Staates entschieden entgegengestellt. Ob sie dabei immer
vollständig im guten Glauben war, oder ob sie vielmehr mit kluger Berech-
nung gerade dieses Feld zur Erprobung ihrer Kräfte gegenüber vom Staate
wählte, weil sie hier einer leidenschaftlichen Theilnahme der grossen Menge
versichert war, welche sich vielleicht um blosse Hoheitsstreitigkeiten wenig
bektümmert hätte, mag dahingestellt bleiben. Die Ansicht hierüber hat zwar
Einfluss auf die Beurtheilung vom sittlichen Standpunkt aus, in der Sache
selbst jedoch wird nichts dadurch entschieden.
Es wird vor Allem gut sein, den Standpunkt der beiden streitigen Ge-
walten möglichst klar darzulegen.
Der Staat der Gegenwart geht in Betreff des öffentlichen Unterrichtes
von dem Grundsatze aus, Jass es sein Recht und seine Pflicht sei, die
Bürger in Betreff ihrer Bildung durch Anstalten so weit zu unterstützen,
als die Kräfte des Einzelnen zur Erreichung vernünftiger und nicht bloss
ganz vereinzelter Zwecke ungenügend sein würden. Da nun nur ganz aus-
nabmsweise die Aeltern oder Vormüänder in der Lage sind, durch häusliche
Einrichtungen oder durch Benützung von Privatlehranstalten für eine genü-
gende Bildung ihrer Pflegbefohlenen zu sorgen, so errichtet der Staat öffent-
liche Schulen mehrfacher Art, wie solche den verschiedenen Bildungsbedürf-
nissen der Bevölkerung entsprechen, und stellt dieselben unter gewissen
Bedingungen und Voraussetzungen der Bevölkerung zur Benützung. Na-
mentlich ist dies der Fall mit den Volksschulen, d. h. denjenigen Unter-
richtsanstalten, welche die für die grosse Mehrheit allein erforderlichen
Elementarkenntnisse zu lehren bestimmt sind; und zwar sorgt er für ein
so zahlreiches Vorhandensein derselben, dass es jedem Kinde ohno allzugrosse
Entfernung dem älterlichen Hause und olıne unerträgliche Beschwerde möglich
ist, den fraglichen Unterricht zu benützen, sodann für die Heranbildung der
erforderlichen Lebrer, für entsprechende Belohnung derselben und für eine
zweckmässige Art ihrer Ernennung. Dass in der Regel die Errichtung
und Unterhaltung dieser Art von Schulen in erster Linie den Gemeinden
gesetzlich auferlegt ist und der Staat nur gewisse allgemeine Ausgaben oder