680 Die Judenemancipation.
nisse widerstrebt aber der Aberglaube unserer Zeit an ganz allgemeinen
Formeln und der grundverderbliche Irrthum, Rechte ohne entsprechende
Pflichten zu gewähren. Nur das württembergische Judengesetz vom Jahre
1828 hatte einen derartigen Gedanken, indem es die als Schacherjuden
nach einer näheren Bestimmung zu bezeichnenden Juden bestimmten Be-
schränkungen und Rechtsungleichheiten unterwarf; allein theils war die
Satzung zu enge und vielleicht auch materiell nicht ganz richtig, theils
wurde sie bald durch den Ruf nach allgemeiner Emancipation wieder weg-
geschwemmt.
Die ganze vorstehende Erörterung ist nun aber nicht etwa desshalb
unternommen worden, um darauf Vorschläge zur Umkebr und zur Rück-
bildung der Gesetzgebungen zu machen. Dazu ist es zu spät. Einmal
verliehene Freiheitsrechte können nur etwa in Folge eines vollkommenen
Umsturzes alles Bestehenden wieder entzogen werden, nicht durch einfache
Gesetzesrevisioin.e Der Widerstand gegen ein solches gehässig scheinendes
Unternehmen wäre zu gross. Es sollte vielmehr nur nachgewiesen werden,
dass unsere derzeitige Staatsweisheit auch in diesen, keineswegs unwichtigen
und doch eben nicht schwer in seinem wahren Sachverhalte erkennbaren
Punkte unüberlegt gehandelt hat und sich durch allgemeine Phrasen hat
täuschen lassen. Lediglich ein Beitrag zur Selbsterkenntniss wollte ge-
geben werden. Im Uebrigen ist der Wein abgefüllt und muss auch ge-
trunken werden.