Full text: Staatsrecht, Völkerrecht und Politik. Dritter Band. (3)

682 Abschaffung der Todesstrafe. 
sichtigte Sicherung und Abschreckung diese Gegengründe alle aufwiege, 
nicht ihrer Seits das Maass weit überschreite, schliesslich doch nicht 
wirksamer sei, als bei einer anderen Strafart, z. B. entsprechender Ein- 
sperrung ? 
Oh ja, wir haben alles dieses mehr als genugsam gehört und gelesen. 
Wir geben auch zu, dass ein wüstes Geschrei der Mengo, welches aus 
blosser Rachelust oder aus falscher alttestamentlicher Theologie entspringt, 
für den Staatsmann nicht maassgebend sein darf; stellen jedoch anderer 
Seits die ebenfalls, denken wir, einleuchtende Forderung auf, dass blose 
weinerliche Sentimentalität und lecre Worte auch nicht entscheiden. Die 
Frage ınuss mit männlichem Verstande aufgefasst und nach den Grund- 
sätzen einer richtigen Strafpolitik beantwortet werden. Nun stehen wir 
aber niclıt an offen auszusprechen, dass jene sog. Gründe, mit Ausnahme 
einer oder zweier Punkte, von welchen besonders die Rede sein soll, in 
unsern Augen nichts sind als Entstellungen der Frage, Läugnungen cent- 
schiedener Thatsachen, sinnloses Phrasengeklingel, oder Folgerungen aus 
falschen Strafrechtstheorieen. — Wir beweisen kurz diese Vorwürfe. 
Nur als eine entschiedene Entstellung der Frage können wir es be- 
zeichnen, wenn von den verwildernden Folgen «zablreicher» Hinrichtungen 
die Rede ist. Es fällt in unserer Zeit keinem gesittigten Menschen ein, 
zahlreiche Todesurtheile zu verlangen oder zuzulassen; eine solche Strafe 
soll vielmehr nur in eigentlichen Notbfällen ausgesprochen und vollzogen 
werden, also sehr selten. Von der Verbrennung von Tausenden von Ketzern 
oder Hex@n, oder auch nur von dem Aufhängen aller Diebe und Strassen- 
räuber, Falschmünzer, Fälscher u. 8. w. ist ja gar keine Rede mehr. Um 
es gleich von vorne herein zu sagen, ein Todesurtheil erscheint uns blos 
dann gerechtfertigt, dann aber auch unbedingt nothwendig, wenn es sich 
davon handelt, die Gesellschaft von einem wilden Thiere in Menschengestalt 
zu befreien, oder wenn Jemand durch eine das sittliche Gefühl tief er- 
schütternde, das objective Recht in hohem Maasse verletzende Handlung 
thatsächlich den Beweis geliefert hat, dass er ein entschiedener Feind der 
Grundlage alles geselligen Zusammenlebens ist. Gegen solche Menschen 
die Gesellschaft und sämmtliche einzelne Mitlebende nicht sicher zu stellen, 
wäre unsinnig und gewissenlos. Eine absolute Sicherstellung gewährt aber 
nur der Tod, da jede Freiheitsbeschränkung möglicherweise durchbrochen 
werden kann. — Noch sei dabei bemerkt, dass cs ganz verkehrt ist, zu 
befürchten, dass das Volk durch Hinrichtungen rachesüchtig werde. Gerade 
im Gegentheile wird es zu einem rachesüchtigen Grimme aufgestachelt, 
wenn ein seinem Gefühle nach sittlich des Lebens unwürdiges oder 
ein höchst gefährliches Scheusal nicht beseitigt wird. Nicht da, wo auf 
eine strenge aber gerechte Rechtspflege gezählt werden kann, entsteht