86 Die Volksschule.
steht, die der Staat ihnen selbst gegeben hat und als Bedingung ihres Be-
rufes von ibnen verlangt. Durch eine Befreiung von Nebendiensten, welche
ihrer Bildungsstufe und ihrer Hauptaufgabe unwördig sind, wohin denn
namentlich die niederen Kirchendienste gehören, welche sie gegenüber von
der Geistlichkeit in die Stellung fast von Dienstboten bringen, und die
überdiess Kirche und Schule in einer falschen Verbindung erbalten'). End-
lich durch eine schnelle und kräftige Zurückweisung jedes ungerechtfertigten
oder gar beleidigenden Eingriffes der Geistlichkeit in die amtliche Stellung
und Wirksamkeit eines Schullehrers, so oft und so weit derselbe im
Rechte ist. Wenig freilich würde Jer deu Menschen kennen, welcher glaubte,
immer und bei Allen auf entsprechenden und nachhaltigen Dank für erzeigte
Gunst und Wohlthat rechnen zu können. Auch lässt sich nicht läugnen,
dass im Wesen des Schullehrerberufes eine innere und nicht zu beseitigende
Quelle von Unbefriedigung liegt, nämlich das Missverhältniss der für einen
Lehrer nothwendigen eigenen Bildung zu der Aufgabe einer Unterrichtung
vielfach rober und unaufgeweckter Kinder. Allein es ist doch ein mäch-
tiger Unterschied, ob die Zufriedenbeit mit den l.ichtseiten oder das Miss-
vergnügen über die Schattenseiten des Berufes überwiegt, und ob eine ge-
rechte Ursache zu Klagen auf Rechnung des Staates gesetzt werden kann.
Auch ist es kein unwesentlicher Umstand, dass der Clerus bei seinen vom
Staate zu bekämpfenden Ansprüchen an die Volksschule nothwendig auch
Forderungen aufstellen muss, welche den Schullehrern unangenehm, weil
für sie verletzend sind, dass er also naturgemäss in dem Streite auf Seite
des Staates steht. Man schlage aber diese ganze Stellung des Staates zu
den Schullehrern nicht geringe an. Es ist eine schr bedeutende Unter-
stützung des staatlichen Systemes der Volksschule, dass man in jeder Ge-
meinde einen thätigen, mit der Bevölkerung im täglichen Verkehr stehenden
Vertheidiger finden kann. Allerdings erfordert das eine und das andere
der oben angegebenen Mittel nicht unbedeutende Opfer, sei es unmittelbar
aus der Staatskasse, sei es von Seiten der Gemeinden; allein diese Aus-
gaben sind, auch ganz abgesehen von einem Streite mit der Geistlichkeit,
aus mehr als Einem Grunde duch nicht zu vermeiden, und es ist also reiner
Gewinn, dass sie nebenbei auch dem Staate in dieser Beziehung zu Gute
kommen. Darüber kann ohnedem kein Zweifel sein, dass sie sich auch wirth-
schaftlich gut bezahlt machen werden, wenn nur erst eine bessere Volks-
———
ı) Günstig ist, dass auch von kirchlicher Belte die Trennung des Messnerdienstes von
dom BScehualdienste gefordert wird (s. die mehrangeführte Eingabe der Bayri'schen Bischöfe,
8. 39). Welche Gründe bier dazu bestimmen, ist gleichgültig. Auch muss eingeräamt
werden, dass es nicht folgerichtig ist, der Wahl des Schullehrers die Uebernahme der Cantor-
and Organistenstelle anheimzugeben , sondern dass es Sache der Kirche Ist, für die Kirchen-
ınusik zu sorgen; nur Ist dieser Punct wenig practisch, da in der Regel doch keine andere
Versehung der Stelle möglich sein wird.