Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

88 Allgemeiner Teil. 
werkes statuieren und damit dem einzelnen einen Aufwand ansinnen wollte, 
dessen Erfolg derselbe sich vielleicht mit sehr viel geringeren Mitteln auf 
anderem, frei gewählten Wege zu sichern in der Lage ist, wie denn auch im vor- 
liegenden Falle der Kläger ohne die städtische Kanalisation auf viel billigere 
Weise seiner gesetzlichen Entwässerungspflicht genügen zu können behauptet. 
Dabei mag zugegeben werden, daß den Kommunen die Durchführung 
einzelner Aufgaben bezüglich der Förderung des Wohles ihrer Angehörigen 
kaum möglich sein würde, wenn grundsätzlich jeder Zwang gegen die Korpo- 
rationsmitglieder ausgeschlossen wäre. So mag sich namentlich auf dem hier 
streitigen Gebiete die Schwemmkanalisation, welche zugleich im Interesse der 
Privatadjazenten die Fäkalstoffe abführt und die Senkgruben beseitigt, bei 
den außerordentlich hohen Anlagekosten kaum ohne obligatorischen Anschluß 
durchführen lassen, wenn anders ihr gesundheitspolizeilicher Zweck voll erfüllt 
werden soll. Doch vermag diese Erwägung noch nicht die Konstruktion eines 
den Kommunen zur Seite stehenden Zwangsrechts zu rechtfertigen, welches 
die Städte-Ordnung gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Grundbesitzer 
in ihren Privatverhältnissen sonst nicht kennt. Vielmehr würden die 
Kommunen hiermit in die dem Staate vorbehaltenen Funk- 
tionen der Polizei übergreifen. Die Polizeiverwaltung wird ge- 
mäß § 1 des Gesetzes vom 11. März 1850 auch von den dazu berufenen 
Kommunalbehörden im Namen des Königs geführt und die Ortspolizeibe- 
amten sind verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staatsbehörde in 
Volizeiangelegenheiten erteilten Anweisungen zur Ausführung zu brinaen. 
Jeder, der sich in ihrem Verwaltungsbezirke aufhält oder daselbst ansässig 
ist, muß ihren polizeilichen Anordnungen Folge leisten. Nur dem Staate 
ist also als Hoheitsrecht die Entscheidung darüber vorbe- 
halten, obin den verschiedenen Zweigen der Polizei, nament- 
lich auch der hier interessierenden Wohlfahrtspolizei, ein 
in die Privatverhältnisse eingreifender Zwang ausgeübt 
werden darf, und eine Duplizität der Gewalten, wonach die Kommune selb- 
ständig, vielleicht auch anders urteilen dürfte, als der Staat, bleibt selbst da 
ausgeschlossen, wo im übrigen städtische Angelegenheiten der Selbstverwaltung 
vorbehalten sind. Die in Polizeisachen dem Gemeindevorstande zugestandene 
Einwirkung beschränkt sich, nach § 143 des Gesetzes über die allgemeine 
Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, auf die Zustimmung zu ortspolizei- 
lichen Vorschriften — und auch diese nur, soweit solche nicht zum Gebiete der 
Sicherheitspolizei gehören. 
. Insbesondere gehören zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vor- 
schriften nach §6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 
1850 die Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen 
Straßen und Plätzen sowie die Sorge für Leben und Gesundheit; und zufolge 
der allgemeinen Schlußklausel alles, was im besonderen Interesse der Ge- 
meinde und ihrer Angehörigen polizeilich angeordnet werden muß. Die 
Entwässerung berührt auch hinsichtlich der Privatgrundstücke vielfach die 
Interessen der Straßenpolizei und, namentlich bei dem großen Unternehmen 
einer Schwemmkanalisation, in hohem Maße diejenigen der Gesundheits- 
polizei. 
Die Kommune darf daher bei ihren Wohlfahrtseinrichtungen und der 
Bereithaltung von Anstalten zur Erfüllung polizeilicher Zwecke nicht neben die 
dem Staate vorbehaltene Polizei treten und den dieser allein anheimgestellten 
Zwang ausüben wollen, sondern muß sich für die Durchführung der- 
artiger Aufgaben vorweg des Beistandes der Polizei ver- 
gewissern. Dementsprechend haben auch die weitaus meisten hier zur Be-
	        
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