Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

96 Allgemeiner Teil. 
Zuschauer auszuüben geeignet ist. Würde der Inhalt eines Schauspiels 
von diesen voraussichtlich dahin verstanden worden sein, daß die bestehende 
staatliche oder gesellschaftliche Ordnung und die herrschenden sittlichen An— 
schauungen verwerflich seien und daher beseitigt werden müßten, und würde 
nach Lage der Umstände angenommen werden können, daß die Zuschauer oder 
Zuhörer durch die Aufführung oder Vorlesung des Schauspiels in ihren sitt- 
lichen Anschauungen irre gemacht und zu Handlungen oder Unterlassungen 
verleitet werden würden, die eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Sicherheit 
und Ordnung darstellen, so würde ein polizeiliches Verbot der Aufführung 
oder Vorlesung des Schauspiels auf Grund des 8§ 10 Tit. 17 Teil II AL. 
zulässig und geboten sein, sofern sich ein Hindernis gegen ein solches Verbot 
aus den Vorschriften des Vereinsgesetzes nicht ergab.“ 
Zur „ÖSffentlichen Ordnung“ gehört auch die gewerbliche 
öffentliche Ordnung. So kann z. B. die Polizei die Führung eines 
vor dem 15. April 18971) im Auslande erworbenen Doktortitels 
seitens eines Zahntechnikers untersagen, wenn diesem nicht annähernd 
dieselbe Bedeutung beiwohnt, wie dem von einer deutschen Hochschule 
erworbenen Titel. Unerheblich ist es dabei, ob die Führung des Titels 
nach § 360 Ziff. 8 des StG. strafbar ist oder nicht: „nach § 10 Ziff. 17 
Teil II AL. ist es Sache der Polizei, auch solche Handlungen zu ver- 
bieten, die ohne Rücksicht auf die für die Strafbarkeit vorausgesetzten. 
subjektiven Momente objektiv gegen das Strafgesetz verstoßen.“ (OVG. 
60 S. 435). 
Das O. führt hierzu im 60. Bd. S. 433 aus, nachdem es fest- 
gestellt hatte, daß der Zahntechniker G. im Jahre 1892 von dem sog. 
German American Dental College des Dr. F. H. in Chicago die 
Doktorwürde erhalten hatte: 
„Damit diese Verleihung aber im Inlande als rechtswirksam erworben 
anerkannt werden kann, ist erforderlich, daß es sich dabei tatsächlich um die 
Verleihung einer Gelehrtenwürde von wenigstens annähernd der Bedeutung 
handelt, die in Deutschland — und den übrigen Kulturstaaten — den 
Doktorwürden beiwohnt. Diese sind Gelehrtenwürden, die in Anerkennung 
wissenschaftlicher Leistungen und Fähigkeiten von einer ihrer inneren Bedeun- 
tung nach hierzu berufenen und befugten Lehranstalt verliehen werden. Es 
muß also zum mindesten verlangt werden, daß die als Doktorwürde betrachtete 
und so bezeichnete Auszeichnung von einem Institut verliehen ist, an welchem 
die Wissenschaft in ernster Weise gepflegt und Vorlesungen gehalten wurden, 
sowie ferner, daß die Verleihung auf Grund einer ernstlichen Prüfung und 
Feststellung des Besitzes gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgte. Wo es 
an diesen Voraussetzungen fehlt, kann nicht anerkannt werden, daß die 
Doktorwürde in einer für das Inland rechtswirksamen Weise erworben sei.“ 
(Weiter wird ausgeführt, daß das genannte Institut — wenn auch nicht 
gerade ein „Schwindelinstitut“ — so doch eine so minderwertige Anstalt war, 
daß ihm weder die Eigenschaft einer höheren wissenschaftlichen Lehranstalt 
1) Vgl. die Kgl. Verordnung v. 7. April 1897 (GS. S. 99), welche die Ge- 
nehmigung zur Führung von im Ausland erworbenen Doktortiteln nur für 
hahe akademische Grade vorschreibt, die nach dem 15. April 1897 verliehen wor- 
en sind. -
	        
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