8 12. Rechtsmittel gegen Poljzeiverfügungen. 135
f) Der Ersatzpflichtige. Wenn die Polizei durch eine Ver-
fügung in „wohlerworbene Privatrechte“ eingreift, muß der Staat
oder der Dritte (Gemeinde, Gesellschaft, auch ein einzelner, z. B. Hoch-
bahngesellschaft), in dessen Interesse die Polizeiverfügung erlassen
wurde, Entschädigung leisten und zwar:
a) Der Staat, wenn das Interesse der Gesamtheit der Ein-
wohner des Staates den Eingriff erforderte (R. 64 S. 187): „wenn
der Eingriff dem Vorteil des Staates in seiner Gesamtheit dient.“
Als „Staat“ ist auch das Reich anzusehen. Vgl. die in der
Anmerkung abgedruckte Entscheidung des REG. in Bd. 79 S. 433 und
RG. 54 S. 202:
„Tritt der Reichsfiskus an die Stelle des Landesfiskus, so finden die
Rechtsgrundsätze, welche für den Landesfiskus gelten, auch auf den Reichs-
fiskus Anwendung. Dadurch, daß also der Reichsfiskus keinen einheitlichen
Gerichtsstand hat, der letztere vielmehr nach den Geschäftskreisen der zur
Prozeßvertretung berufenen Behörden sich bestimmt, steht er unter keinem
einheitlichen Rechte, sondern ist in jedem Rechtsgebiete den Rechtsregeln
unterworfen, welche die dort geltende Gesetzgebung hinsichtlich des einheimi-
schen Fiskus aufstellt. Über diese Konsequenz herrscht allgemeine Überein-
stimmung, wenn auch die Begründung nicht die gleiche ist. “
8) Das betreffende Gemeinwesen oder der Dritte, wenn der
Eingriff lediglich zu dessen Vorteil erfolgt, z. B. bei dem Ausbruch
eines Feuers wird ein nicht brennendes Haus niedergerissen, um
weiteren Schaden zu verhüten (R. 64 S. 184/87). Eine Stadtge-
meinde nimmt eine Kanalisation vor und bedarf zu diesem Zwecke eines
unter der Straße liegenden Hohlraumes, der von einem Anlieger als
Kelleraufbewahrungsraum benutzt wird. Hier darf der Staat durch
die Polizei den Keller zumauern, da dies zum allgemeinen Wohle dient,
nach ALR. Einleitung 74/75. Die Stadtgemeinde muß Entschädigung
leisten; oder: einem Schmiedemeister wird die Neueinrichtung seiner
abgebrannten Schmiede im Orte von der Baupolizei untersagt, weil
der Ort inzwischen Kurort geworden ist und die Schmiede die Kur-
gäste stören würde.
In „wohlerworbene Rechte“ greift z. B. die Stadt auch dann
ein, wenn sie die öffentliche Straße höher legt, da zwischen Straßen-
anlieger und Stadtgemeinde eine Art grunddienstbarkeitsähnlichen
Enteignungsrechts für das Gebiet des Patentrechts anerkannt. Wenn auch im vor-
liegenden Falle eine Erläuterung des Reichskanzlers nicht vorgelegen habe, so sei
dies doch nicht der einzige Fall der Enteignung, und die Benutzung der geschäützten
Erfindung sei ihr gleichzustellen, weil sonst eine Lücke im Gesetze vorliege. Schließlich
sei diese Bestimmung des Patentgesetzes auch ein Anwendungsfall des § 75 Ein-
leitung zum ALR., welcher auch für Eingriffe des Reichsfiskus gelte, da es all-
gemeinen Rechtens sei, daß der Reichsfiskus, wenn die ihn vertretende Behörde in
Preußen ihren Sitz habe, die Regeln des preußischen Rechtes über den einheimischen
Fiskus gegen sich gelten lassen müsse (RG. 54 S. 202, 73 S. 271). § 75 beziehe
sich aber nicht nur auf Verwaltungs-, sondern auch auf Hoheitsakte.