Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

164 Allgemeiner Teil. 
kannt, spielt jedoch eine erheblich geringere Rolle als im Zivilprozeß. 
In allen Fällen kann die Frage nach der Beweislast erst dann auf- 
geworfen werden, wenn das gesamte erreichbare Beweismaterial 
erschöpft ist und hierbei ausreichende Unterlagen für eine tatsächliche 
Feststellung nicht gewonnen sind. Vgl. hierzu O#. 12 S. 348: 
„ .. Beide Teile übersehen, daß im Verwaltungsstreitverfahren von 
einer Beweislast in eben demselben Sinne wie im Zivilprozesse keine Rede 
sein kann. Denn während vor dem ordentlichen Richter die Parteien über Ver- 
hältnisse des Privatrechts, welche ihrer unbeschränkten Verfügung unterliegen, 
in einem von der Verhandlungsmaxime — auch bezüglich der Beweiser- 
hebung — beherrschten Verfahren verhandeln, beruht das Verwaltungsstreit- 
verfahren, entsprechend seiner Bestimmung, öffentliche und darum der Privat- 
willkür zum Teil entzogene Rechtsverhältnisse zu regeln, auf der Unter- 
suchungsmaxime. Schließt dies auch nicht aus, daß der Richter im Ver- 
waltungsstreitverfahren den Nachweis von derjenigen Partei verlangt, welche 
eine erhebliche Behauptung vorbringt und an deren Feststellung ein rechtlich 
geschütztes Interesse hat, so bleibt doch die Ermittelung der objektiven Wahr- 
heit in erster Linie die Aufgabe des Richters selbst, dem zu diesem Zwecke der 
§ 76 des LV. die Befugnis beilegt, nicht bloß den angetretenen, sondern auch 
den nach seinem Ermessen erforderlichen Beweis zu erheben... Die Frage 
nach der Beweislast kann daher im Verwaltungsstreitverfahren immer erst 
dann, wenn das gesamte erreichbare Beweismaterial erschöpft ist, hierbei 
aber ausreichende Unterlagen für eine tatsächliche Feststellung nicht gewonnen 
sind, ausgeworfen werden.“ - 
Undneuerdi11gsOVG67S.Zl4: 
,,...JmVerwaltungsstreitverfahrenspieltvermögederdiesesbe- 
herrschenden Untersuchungsmaxime allerdings die Beweislast nicht die nämliche 
Rolle wie im Zivilprozesse, vielmehr ist es im allgemeinen Aufgabe des Ver- 
waltungsrichters, von Amts wegen den Sachverhalt vollständig aufzuklären 
(§ 71 Abs. 1 und § 76 des LVG.). Indessen ist die Rechtsprechung doch dar- 
über nie im Zweifel gewesen, daß, wenn die Beweiserhebung zu keinem 
sicheren Ergebnisse geführt hat, auf die Beweislast zurückzugehen und zu un- 
gunsten des Beweispflichtigen zu entscheiden ist. “ 
b) Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Regelung der 
Beweislast nach der Praxis des OVG. bei Polizeiverfügungen 
und Steuerforderungen. 
Was die Polizeiverfügunger betrifft, so ist es nach herr- 
schender Judikatur im Verfahren aus 8§ 127 f. Sache des Klägers 
zu beweisen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für die angefoch= 
tene polizeiliche Verfügung nicht vorliegen. So O. 67 S. 314: 
„Es verstößt gegen das bestehende Recht, wenn der Berufungsrichter 
einen Grund zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung daraus entnimmt, 
daß ihm der Nachweis nicht erbracht ist, daß die angeordnete Räumung im 
Interesse der Vorflut habe erfolgen müssen. Nicht die Polizeibehörde, welche 
sich überdies in der Stellung der beklagten Partei befindet, hat die aus dem 
Inhalte ihrer Verfügung und der Erklärung ihres Vertreters ersichtlichen 
tatsächlichen Voraussetzungen ihrer amtlichen Anordnung, sondern der Kläger 
hat sein Klagefundament, nämlich das zu beweisen, daß die tatsächlichen Vor- 
aussetzungen nicht vorhanden sind, welche die Beklagte zum Erlasse der ange- 
fochtenen Verfügung berechtigt haben würden.“
	        
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