Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 14. Das Verwaltungsstreitverfahren. 189 
Prozeßvertreter der Klägerin insofern ein Verschulden, als er es an aus- 
reichenden Maßnahmen zur Wahrung der Klagefrist hat fehlen lassen. Die 
Überwachung der Einhaltung von prozeßrechtlichen Notfristen ist die Pflicht 
jedes Anwalts. Er kann sich nicht damit entschuldigen, daß die Erfüllung 
dieser Pflicht ihm wegen Überlastung mit Geschäften unmöglich gewesen 
sei. Nehmen seine Geschäfte einen so großen Umfang an, daß ihm die Er- 
füllung seiner Pflicht unmöglich zu werden droht, so muß er sie rechtzeitig 
auf einen Umfang beschränken, der die Erfüllung der ihm obliegenden 
Pflichten gewährleistet..“ (OVG. 70 S. 400). 
Kein Wiedereinsetzungsgrund ist der Rechtsirrtum, insbeson 
dere die Unbekanntheit mit den bestehenden prozessualen Vorschriften, 
selbst dann, wenn der Irrtum seitens des Verwaltungsgerichtes ge- 
teilt oder hervorgerufen ist (OVG. 9 S. 432 f.). Auch die recht- 
zeitige Einreichung eines Schriftsatzes bei einer unzuständigen 
Behörde genühgqt nicht zur Wiedereinsetzung, selbst wenn der Schrift- 
satz noch rechtzeitig in die Hände der zuständigen Behörde hätte ge- 
langen können: 
„ . Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann, wie 
der Gerichtshof in feststehender Judikatur angenommen hat, nicht darauf 
gegründet werden, daß die Parteien denjenigen Schriftsatz, welcher die Klage 
oder ein Rechtsmittel einführt, an unzuständiger Stelle und in der Erwartung 
eingereicht haben, daß derselbe noch rechtzeitig an die zuständige Stelle ab- 
gegeben werden würde. Mag es auch in der amtlichen Fürsorge der Behörden 
begründet sein, nach Möglichkeit darauf zu sehen, daß den Parteien die ihnen 
zustehenden Rechtsbehelfe nicht durch Fristenablauf verloren gehen, so kann 
doch, wenn letzteres gleichwohl geschehen und wenn auch der Ablauf der Frist 
durch rechtzeitige Zurückgabe oder durch rechtzeitige Abgabe des Schriftsatzes 
an die zuständige Stelle hätte verhütet werden können, ein Recht der Partei, 
solche Zurückgabe oder Abgabe zu verlangen, nicht anerkannt und es kann 
ein unabweisbarer Zufall im Sinne des § 112 cit. nicht darin gefunden 
werden, daß der an zuständiger Stelle eingereichte Schriftsatz nicht recht- 
zeitig an die zuständige Behörde abgegeben worden ist. An diesem vom Ge- 
richtshof stets befolgten Grundsatze war auch hier festzuhalten.“ (O. 
im Pr Verw Bl. 16 S. 336). 
Wohl aber können Verzögerungen im Postverkehr einen 
„unabweisbaren Zufall“ darstellen: 
„Nach dem Vorstehenden unterliegt es keinem Zweifel, daß die Be- 
rufungsschrift des Beklagten fristzeitig an den Bezirksausschuß gelangt sein 
würde, wenn ihre Beförderung in dem für den Postverkehr und für die 
Abholung der Postsachen bei dem Bezirksausschusse eingerichteten Dienst- 
betriebe erfolgt wäre. Ob die statt dessen eingetretene Verzögerung in der 
Beförderung, welche den verspäteten Eingang zur Folge gehabt hat, von 
Organen der Postverwaltung oder solchen des Bezirksausschusses ausgegangen 
ist, läßt sich nicht aufklären und kann auch dahingestellt bleiben. Ent- 
scheidend ist dies, daß unzweifelhaft die Verzögerung durch von dem Willen 
des Beklagten unabhängige, seiner Einwirkung entzogene Vorgänge verur- 
sacht ist. Nun wird allerdings, um die Nichtberücksichtigung derselben als 
unabweisbaren Zufalles im Sinne des § 112 LVG. zu begründen, 
vom Kläger eingewandt, daß Beklagter die Vorsicht hätte gebrauchen sollen,
	        
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