Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

8 19. Das Vereinsrecht. 223 
Zweifel an die Zulässigkeit einer Versammlung i. S. des 8 152 GewO. 
heben. (DIZ. 1910 S. 152 [OLG. Hamml). Derartige Versamm- 
lungen sind nur von der Anzeige (§5) und Bekanntmachung (86 
Abs. 1) befreit; im übrigen gelten ev. §§ 10—14. 
Dagegen fallen auch derartige Versammlungen unter 95 Vereins- 
gesetz, wenn sie zu politischen werden. Hierüber besagt das RG. 
Strafs. 16 S. 385: 
„Sobald irgendwelche gewerbliche Koalitionen behufs Erlangung günstiger 
Lohn= und Arbeitsbedingungen das Gebiet des gewerblichen Lebens mit 
seinen konkreten Interessen verlassen, sobald sie hinübergreifen in das staat- 
liche Gebiet, sobald sie die Organe und die Tätigkeit des Staates für sich 
in Anspruch nehmen, hören sie auf, gewerbliche Koalitionen zu sein und 
wandeln sich in politische Vereine um, die als solche den Beschränkungen 
des Vereins= und Versammlungsrechts unterliegen. Nicht ledig.ich die all- 
gemeine Tendenz und das letzte Ziel, sondern lediglich Form und Mittel der 
Vereinsbestrebungen entscheiden darüber, ob sie politischen Charakter an sich 
tragen.“ · 
Zu §'. 
Der Veranstalter einer öffentlichen Versammlung unter freiem 
Himmel oder eines öffentlichen Aufzuges muß in dem Genehmigungs- 
antrage in solcher Weise bezeichnet werden, daß er von der Polizei 
vorgeladen oder zum Zwecke von Ermittelungen aufgesucht werden 
kann.-Hierzu genügt in der Regel die Angabe des Vor= und Zunamens, 
des Wohnortes und der Wohnung. Die Mitteilung, welchen Stand 
und Beruf der Veranstalter habe, zu fordern, geht über das Maß des 
Nötigen hinaus und kann ausnahmsweise nur dann begründet sein, 
wenn besondere Umstände noch Zweifel lassen (OVG. 59 S. 290). 
Nach O#. müssen, um einen Aufzug oder eine öffentliche Ver- 
sammlung zu verweigern, Tatsachen vorliegen, aus denen eine 
Störung der öffentlichen Sicherheit, d. h. eine Gefahr für die öffent- 
liche Sicherheit zu befürchten ist: 
„Wie vom O. wiederholt ausgesprochen ist, reichen zur Begrün- 
dung der Befürchtung einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im An- 
wendungsbereiche des § 7 a. a. O. allgemeine Vermutungen nicht aus; viel- 
mehr bedarf es zur Rechtfertigung der Versagung der Genehmigung konkreter, 
in den örtlichen Verhältnissen begründeten Tatsachen, die nicht bloß die 
mehr oder weniger entfernte Möglichkeit einer Gefährdung der öffentlichen 
Sicherheit eröffnen, sondern diese Gefährdung absehbarerweise besorgen lassen 
..... Ob im einzelnen Falle derartige tatsächliche Voraussetzungen vor- 
handen sind, welche die Polizeibehörde zu der Annahme berechtigen, daß 
aus der Veranstaltung eines Aufzuges eine Gefahr für die öffentliche Sicher- 
heit zu befürchten sei, ist eine nach den jeweiligen Tatumständen und den ge- 
samten örtlichen und zeitlichen Verhältnissen von Fall zu Fall zu entscheidende 
Frage. Sie ist unter anderem verneint worden, wenn die Polizeibehörde 
zur Begründung ihrer Befürchtung nur darauf hingewiesen hatte, daß am 
Orte der Veranstaltung ein gespanntes Verhältnis zwischen den daselbst ver- 
tretenen Parteien bestehe, oder daß starke nationale Gegensätze zwischen ver-
	        
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