§ 21. Baurecht. 279
Schließlich kann nach der herrschenden Praxis des OG. die An-
legung von Vorgärten in dem zwischen Straßen= und Bauflucht-
linien gelegenen Grundstücksteile verlangt werden, und zwar sowohl
durch Polizeiverordnung, als auch durch Polizeiverfügung (O.
im PrVerwl. 12 S. 405).1) Gleichfalls kann die Beunutzung des
Vorgartens zum Gewerbebetrieb geregelt, insbesondere gänzlich ver-
boten und die Einfriedigung desselben vorgeschrieben werden.
Vgl. OVG. im Pr VerwBl. 15 S. 584;:
„Die Vorgärten sind nicht Teile der öffentlichen Straße. Sie stehen
im Eigentum Privater, diese haben über sie aber nicht das Maß freier Ver-
fügung, wie über ihre sonstigen Grundstücke. Durch die Festsetzung, daß die
Baufluchtlinien hinter den Straßenfluchtlinien zum Zweck des Entstehens von
Vorgärten gezogen worden, wird den so entstehenden Vorgärten eine gewisse
Bestimmung gegeben. Sie sollen nicht nur als Mittelglied zwischen Straßen
und Haus den Zugang zwischen beiden vermitteln, sondern, soweit sie nicht
Zugang sind, weiter, worauf ihre Bezeichnung als „Vorgärten“, deren Quelle,
das für ihre Einrichtung namentlich in Städten seit lange bestehende und
verbreitete Herkommen, und endlich auch ihre Lage hinweisen, als Gärten
die Salubrität der Wohnplätze durch Zuführung von Licht und Luft wie durch
W fördern und zugleich Verunstaltungen der Straßen aus-
ießen.
Die so aus polizeilichen Gesichtspunkten geschaffenen und nicht nur
privaten, sondern auch öffentlichen Interessen dienenden Vorgärten sind der
freien Verfügung ihrer Eigentümer durch ihre Bestimmung entzogen. Wie
ihr Bestand überhaupt, so untersteht auch ihre Einrichtung und Verwendung
insoweit der polizeilichen Obhut, als es sich um die Erhaltung ihrer Be-
stimmung handelt. «
Über die Zulässigkeit des gänzlichen Verbotes eines Gewerbe-
betriebes in Vorgärten führt das O. 18 S. 374/75 aus:
„ . Gegen den Kläger wird die Bestimmung zur Anwendung gebracht,
daß die Vorgärten zu gewerblichen Zwecken nicht benutzt werden dürfen; und
mit dieser Vorschrift hat die Polizei die ihr gezogenen Schranken jedenfalls
nicht überschritten. Wie keines Beweises bedarf und der Kläger selbst nicht
leugnet, kann in den Vorgärten nicht jeder Gewerbebetrieb zugelassen werden;
regelmäßig wird vielmehr die Betreibung eines Gewerbes im Vorgarten teils
mit dem Zwecke desselben, teils mit denjenigen Rücksichten, welche auf den
Straßenverkehr zu nehmen sind, mehr oder weniger unvereinbar erscheinen.
Muß aber der Polizei die Berechtigung zugestanden werden, von den Vor-
ärten die unstatthaften Gewerbebetriebe in den Vorgärten zu verbieten, so
ann ihr auch nicht verwehrt werden, jeden Gewerbebetrieb in den Vor-
gärten zu verbieten. Ob sich das als notwendig oder zweckmäßig darstellt,
ist von dem Verwaltungsrichter nicht zu prüfen . .“ So kann auch die An-
bringung von Schaukästen, in denen zu Geschäftszwecken Waren zur
Schau gebracht werden, in Vorgärten verboten werden, weil der Vorgarten
seinem Zwecke nach zugleich eine Verunstaltung der Straße ausschließen
soll.“ (OVG. im Pr Verw l. 32 S. 648/49). Vgl. auch das Verunstaltungs-
gesetz von 1907.
Mit Recht hält Biermann (Privatrecht und Polizei in Preußen,
S. 146 ff.) derartige Polizeiverordnungen über Vorgärten für un-