8§ 21. Baurecht. 285
Es liegt in der rechtlichen Natur der Polizeiverordnung, daß die als
solche ergehenden Bauordnungen der im 865 ebendaselbst grundsätzlich an-
erkannten Baufreiheit diejenigen Grenzen ziehen, die die polizeiliche „Sorge
für Leben und Gesundheit“ sowie die „Fürsorge gegen Feuersgefahr bei Bau-
ausführungen, sowie gegen gemeinschädliche und gemeingefährliche Hand-
lungen, Unternehmungen und Ereignisse überhaupt“ erheischt (8 6 pos. f. i. g.
des Gesetzes über die P.-V. vom 11. März 1850, GS. S. 265). Soweit solche
Verordnungen ergangen sind, bestimmen sie daher die Normen, nach welchen
bemessen werden muß, ob ein Bau „zum Schaden oder zur Unsicherheit des
gemeinen Wesens“ gereicht (8 66 a. a. O.) oder, wie es 8 71 ausdrückt, ob ein
Bau „schädlich oder gefährlich für das Publikum“ ist. — Die Beobachtung
der Vorschriften der Baupolizeiordnung wird gefordert und erzwungen, um
schädliche und gefährliche Bauten zu hindern, und, wenn gleichwohl Bauten
entstehen, die solchen Ordnungen widersprechen, so sind sie schon lediglich durch
diesen Widerspruch als schädlich und gefährlich im Sinne des § 7.1 rechtlich
gekennzeichnet. — Es ist somit ausgeschlossen, neben dem Maßstabe, den die vor-
handenen Bauordnungen für die Zulassung und Gutheißung von Bauten vor
deren Ausführung zur Ausschließung schädlicher und gefährlicher Bauten
statuieren, noch einen zweiten solchen Maßstab für konsenswidrig oder kon-
senslos ausgeführte Bauten aus §8 71 a. a. O. zu konstruieren und dem
bauenden Publikum die Möglichkeit einzuräumen, durch gesetzwidrige Hand-
lungen das für ihre Bauten zur Anwendung kommende Baurecht zu ändern.
Es könnte dies auch gar nicht geschehen, ohne damit das öffentliche Interesse
in weitem Umfange in Frage zu stellen. Es darf nicht übersehen werden,
daß die Baupolizeiordnungen, weil sie notwendig generalisieren müssen, viel-
fach für einzelne konkrete Baufälle der Baufreiheit engere Schranken ziehen,
als es möglich ist, wenn die Schädlichkeit und Gefährlichkeit eines Baues
unabhängig von den Vorschriften der Bauordnungen lediglich nach der tat-
sächlichen Lage des einzelnen Baufalles beurteilt werden muß.“
Hieraus ergibt sich folgender Rechtszustand: Während Baupolizei-
ordnungen ihrem Inhalt nach ihre materielle Stütze im 8 10 II 17
ALP., 88 66 ff. I 8 ALR. und dem PW. v. 1850 finden, können —
soweit sie bestehen — Baupolizeiverfügungen grundsätzlich nur auf
Baupolizeiordnungen, nicht auf das ALR. oder das PV. zurückgehen,
wobei jedoch zu beachten ist, ob und inwieweit die Bauverhältnisse durch
die Baupolizeiordnungen geregelt werden sollten. Soweit dies nicht
der Fall ist, können dieselben durch Verfügungen im Einzelfalle
oder generell durch Verordnungen nach Maßgabe der Bestimmungen
des ALR. geregelt werden.
b) Formelle Erfordernisse der Baupolizeiverord-
nungen.
In formeller Beziehung gelten für die Bauordnungen die Vor-
schriften über Polizeiverordnungen überhaupt. Werden sie von der
Ortspolizei erlassen, so gilt §5 des PVG. v. 11. März 1850 i. V.
mit § 144 LVG. Es müssen also die vom Regierungspräsi-
denten vorgeschriebenen Förmlichkeiten gewahrt werden. Erläßt die
Landespolizeibehörde (Regierungspräsident, Oberpräsident) die
Bauordnungen, so sind die Vorschriften der 88 137, 139, 140 L VG.