Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 21. Baurecht. 321 
auszulegen, als von dem Beklagten geschieht. Die Worte: „Vorgärten dürfen 
nur zu Gartenanlagen benutzt und nur mit einer aus Gitterwerk bestehenden 
Einfriedigung umgeben werden“ können — wie auch das OV. schon in 
mehreren Fällen angenommen hat — nicht füglich eine andere Bedeutung 
haben, als daß gegen die Anlieger nötigenfalls auch ein Zwang zu der vorher- 
gesehenen Einfriedigung und zur gartenmäßigen Einrichtung sowie Unter- 
haltung soll geübt werden dürfen. Denn die Absicht der Polizeibehörde 
kann nach dem vorhin Bemerkten nicht dahin gegangen sein, den Anliegern 
freizustellen, ob sie das Vorgartenland uneingefriedigt und als wüsten Platz 
liegen lassen wollen 
Endlich kann es auch nicht als durchschlagend erachtet werden, wenn 
der Vorderrichter in der Polizeiverordnung, als Gebot gefaßt, wesentliche 
Lücken findet. Daß die Person des Verpflichteten nicht näher bezeichnet ist, 
erscheint nicht gerade auffallend, weil auch die älteren Vorgärten in Berlin 
— wie dargelegt — im Eigentum der Anlieger verblieben sind und demnach 
über die Person des Pflichtigen regelmäßig ein Zweifel nicht bestehen konnte. 
Diejenigen Fälle, wo das Vorgartenland ausnahmsweise an die Stadtgemeinde 
abgetreten ist, können hierbei nicht in Betracht kommen; ob sie vielfach oder 
nur selten eingetreten sind, mag auf sich beruhen; soweit das Vorgartenland in- 
folgei der Abtretung zur Straße gezogen ist — und dies wird die ganz über- 
wiegende Regel bilden — besteht rechtlich ein Vorgarten überhaupt nicht 
mehr und kann folglich auch von einer Verpflichtung zur gartenmäßigen Unter- 
haltung keine Rede mehr sein; soweit aber lediglich eine Eigentumsübertragung 
stattgefunden hat, ist hierdurch ein ganz außergewöhnliches Rechtsverhältnis 
hergestellt, auf dessen Entstehen bei Erlaß der Polizeiverordnung kaum Rück- 
sicht genommen werden konnte“ 
Und ferner: 
Der Eigentümer des Hausgrundstücks kann wegen der vorschrifts- 
mäßigen Anlegung, Unterhaltung und Einfriedigung des Vorgartens polizei- 
lich in Anspruch genommen werden, auch wenn er nur Besitzer, nicht auch 
zugleich Eigentümer des Vorgartens ist, weil der Vorgarten im engsten Zu- 
sammenhang mit dem Gebäude, vor dem er liegt, steht und ähnlich den Höfen 
als dessen Zubehör angesehen wird. Im übrigen hat die Polizeibehörde 
zwischen mehreren Verpflichteten die Wahl (OVG. 61 S. 389—391). 
Nach RG#Z. 58 S. 334/35 ist ein Gastwirt rechtlich verpflichtet, 
die Zugänge zu seinem Gasthof auf dem Vorgarten in verkehrssicherem 
Zustande zu erhalten und bei Eisglätte zu bestreuen, auch wenn ein 
Vertragsverhältnis mit dem Gaste noch nicht begründet ist. Dies 
sowohl dann, wenn der Wirt Eigentümer des Lokales ist oder wenn 
er es nur gepachtet hat. Die Haftpflicht beruht auf dem Satze, daß 
demjenigen, der in Gebäuden oder auf Wegen einen Verkehr für 
andere eröffnet, die Herstellung und Erhaltung der Vorkehrungen, 
welche der gefahrlose Verkehr erfordert, obliegt mit der Wirkung, daß 
1) Die Polizeiverordnung lautete: 
„Wo Vorplätze zwischen den Baufluchtlinien . . und den Bürgersteigen bzw. 
Fahrdämmen der öffentlichen Straßen und Plätze zugelassen worden sind, dürfen 
dieselben nur zu Gartenanlagen benutzt und nur mit einer aus Gitterwerk bestehenden 
Einfriedigung, versehen werden. Zu Abweichungen von dieser Vorschrift ist besondere 
polizeiliche Erlaubnis erforderlich.“ 
Mohn, Verwaltungsrecht. (Praktischer Teil.) 21
	        
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