324 Besonderer Teil.
gemäß 87 a. a. O. ist gemäß der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs
als Voraussetzung für die Wirksamkeit des § 11 nicht zu fordern. Wenn die
Klägerin hiergegen geltend macht, daß der Fluchtlinienplan ohne öffentliche
Bekanntmachung rechtliche Wirkung für das Publikum nicht haben könne,
und daß der einen Bau beabsichtigende Grundeigentümer unter Umständen
erheblich geschädigt werde, wenn ihm unerwartet wegen eines lediglich von den
Gemeindebehörden beschlossenen Fluchtlinienplanes das Bauverbot aus § 11
des Gesetzes entgegengehalten werde, so ist diesen Einwendungen durchgrei-
fende Bedeutung nicht beizulegen. Die Offenlegung eines von den Gemeinde-
behörden beschlossenen Fluchtlinienplans kann sich z. B. wegen notwendiger
Verhandlungen mit anderen Behörden (8 6 a. a. O.) unter Umständen erheblich
verzögern. Würden in dieser Zeit Bauten, die über die Fluchtlinie hervor-
treten, nicht verhindert werden können, so würde leicht der ganze Plan in
Frage gestellt und der Gemeinde unmöglich gemacht werden, die damit ange-
strebten Ziele und Zwecke zu verwirklichen. Es handelt sich aber bei der vor-
läufigen Wirksamkeit des § 11 um eine Befugnis, welche den Polizeibehörden
gerade zu dem Zwecke eingeräumt ist, die Durchführbarkeit eines aufge-
stellten, aber wegen der gesetzlichen Verfahrungsvorschriften noch nicht end-
gültig festgesetzten Fluchtlinienplans zu ermöglichen und zu sichern;
und diesen im öffentlichen Wohle begründeten Interessen gegenüber, deren
Schutz das Gesetz zum Gegenstande hat, müssen die Interessen der Bauenden
zurücktreten (vgl. Friedrichs= v. Strauß und Tornay, Das Baufluchtengesetz,
5. Aufl., Anm. 4 zu §11 S. 92ff. und die dort angeführte Entscheidung).
Ist hiernach § 11 des Fluchtliniengesetzes auf den Bau der Klägerin für an-
wendbar zu erachten, so folgt, daß die Polizeibehörde auch berechtigt sein
mußte, die Beseitigung der ohne Genehmigung ausgeführten baulichen Ande-
rungen und die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu fordern. Un-
mittelbar aus dem Gesetz ergibt sich deren Befugnis, eine vor der Ausführung
nachgesuchte Genehmigung des Umbaues zu versagen. Auch nachdem dieser
tatsächlich ausgeführt worden war, konnte, wie in dem Urteile vom 11. Juli
1901 (Entsch, des O#VG. Bd. 40 S. 386 Anm.) dargelegt worden ist, die nach-
träglich erbetene Genehmigung versagt werden. Ist dies aber der Fall, so steht
der ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeführte und im vorliegenden Falle
auch nachträglich ausdrücklich nicht genehmigte Bau mit dem zwar endgültig
und mit seinen vollen Wirkungen erst mit der förmlichen Fluchtlinienfestsetzung
in Kraft tretenden, aber nach §11 schon vorläufig wirksamen örtlichen
öffentlichen Baurecht in Widerspruch, von welchem der Fluchtlinienplan
unzweifelhaft einen Teil bildet. Dieser Widerspruch mit dem öffentlichen Bau-
rechte kennzeichnet den Bau ohne weiteres als gefährlich und schädlich für das
Publikum im Sinne des § 71 Tit. 8 T. I ALR. und berechtigt deshalb die
Polizeibehörde zum Einschreiten. Die Beseitigung der vorgenommenen Ande-
rungen kann deshalb gefordert werden, weil nur hierdurch ein dem örtlichen
Baurecht gentsprechender Zustand wieder hergestellt werden kann.“ (OVG. 57
S. 477ff.).
Über die Wirkung des §11 und damit der Fluchtlinienfest-
setzung überhaupt führt OVG. 64 S. 535 aus, daß die rechtliche Be-
deutung nicht darin besteht festzustellen, wo gebaut werden darf,
sondern zu kennzeichnen, welche Flächen zu öffentlichen Straßen und
Plätzen vorbehalten werden sollen und deshalb nicht bebaubar sind:
„Nur wenn für das hinter der Baufluchtlinie liegende Gelände die Bau-
freiheit nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist, bildet die Fluchtlinie die
Grenze, bis zu welcher gebaut werden darf. Die Festsetzung einer Flucht-