§ 22. Wegerecht. 341
und für die öffentliche Wohlfahrt entwickelt hat, sondern als Gegenstand eines
auf Erwerb gerichteten Gewerbebetriebes. Eisenbahnen und öfsentliche Wege
ergänzen sich gegenseitig; sie führen einander den Verkehr zu. Der Bau der
Bahnen kann eine Umgestaltung und Ergänzung des benachbarten Netze
öffentlicher Wege zur Folge haben und so die amtliche Wirksamkeit der
Wegepolizei in Anspruch nehmen; es ist weiter rechtlich möglich und tat-
sächlich in großem Umfange praktisch geworden, daß die Unternehmer der
Bahnbauten angehalten worden sind, öffentliche Wege, namentlich
öffentliche Zufuhrwege zu den Bahnhöfen zu bauen, und diese
öffentlichen Wege unterstehen, wenn sie geschaffen sind, als solche der
Wegepolizei. Endlich ist kein Bahnhof denkbar, welcher nicht dem Publikum
für immer oder zeitweise geöffnete Räume bietet, insbesondere auch im Perron
und in den Plätzen zum Auf= und Abladen der Güter, sowie in den Wegen,
welche das Bahnhofsgebäude und die Güterschuppen mit ihren Vorplätzen, die
Viehhöfe und dergleichen mit der nächsten öffentlichen Straße als Zugangs-
wege verbinden. — Diese Wege und Plätze sind im gewissen Sinne öffentliche
Straßen und öffentliche Plätze, nämlich insofern sie das Bedürfnis des Ver-
kehrs des Publikums auf der Eisenbahn als öffentlicher Verkehrsstraße er-
fordert .. Gleichwohl sind sie so wenig öffentliche Wege und Plätze im
Sinne des Wegerechts wie der Bahnkörper selbst, dessen Bestimmung sie teilen.
Das für ihre rechtliche Beurteilung Entscheidende ist lediglich dies, daß sie
Teile der Eisenbahnanlagen selbst sind. Als solche unterstehen sie dem für
diese geltenden Rechte, nicht dem wesentlich verschiedenen Rechte der öffent-
lichen Wege. Es macht sich dies in mannigfachen Beziehungen geltend. Von
dem Eisenbahnbau= und Betriebsunternehmer ausschließlich für den Verkehr
mit und auf dem Bahnhofe, für den Betrieb des Transportgewerbes auf der
Bahn, angelegt, sind sie von ihm und nicht von dem Wegebaupflichtigen oder
dem Träger der sonstigen polizeilichen Lasten zu unterhalten, zu entwässern,
zu reinigen, zu beleuchten und dergleichen mehr (8§24 des Eisenbahngesetzes).
Sie stehen zur Verfügung des Unternehmers für das Transportgewerbe der
Bahn nach Maßgabe der Anforderungen, welche die Eisenbahnaufsichtsbehörde
stellt, nicht zur Verfügung der die Wegepolizei handhabenden Ortspolizei-
behörde. Sie werden mit jeder Umgestaltung oder Verlegung eines Bahn-
hofes verändert und eingezogen, ohne daß hierüber die Wegepolizeibehörde zu
bestimmen hätte. Sie sind in dem Sinne und unter den Modalitäten Privat-
wege, wie das Bahnunternehmen ein Privatunternehmen ist. Jedenfalls ist
die Zuständigkeit der Ortspolizei in ihrer Überwachung auf die Handhabung
der Sicherheitspolizei beschränkt. Die weitergehende Fürsorge für die Be-
dürfnisse und Anforderungen des Verkehrs üben die Bahnaufsichtsbehörden
Der Berufungsrichter irrt hiernach rechtsgrundsätzlich in jener Deduk-
tion, der Weg müsse ein öffentlicher sein, weil er als alleiniger Zufuhrweg
zum Bahnbof angelegt sei. Der Weg ist vielmehr nach obigem kein öffentlicher
i. S. des Art. IV §1 der Novelle zur Kreis-Ordnungt), sondern ein Privat-
weg des Eisenbahnunternehmers, wenn er ein Teil der Eisenbahnanlage selbst,
des Bahnhofs ist und nur die Bestimmung hat, als Zugangsweg zu den Bahn-
gebäuden zu dienen, also nicht hierüber hinaus für einen Durchgangsverkehr
oder für sonstige Adjazenten des Wegekörpers. Diese Auffassung steht auch
nicht mit dem im Bd. V S. 299ff. der Entscheidungen veröffentlichten
Endurteile des Gerichthofes vom 17. Sept. 1879 im Widerspruch. Es ist schon
oben hervorgehoben, daß vielfach auch Zufuhrwege zu Eisenbahnhöfen als
öffentliche Wege von den Unternehmern des Bahnbaues nach Maßgabe der
1) Jetzt § 65 des Zust.Gesetzes v. 1. August 1883.