Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

348 Besonderer Teil. 
tum eines anderen an dem Wegekörper. Der Berufungsrichter verstößt aber 
nicht gegen Rechtsnormen, wenn er, dieses letztere als Ausnahmeverhältnis 
ansehend, aus den auf seiten der Gemeinde festgestellten Besitzhandlungen 
(Benutzung der Wege für den öffentlichen Verkehr, Bepflanzung und Unter- 
haltung) eine Vermutung für das Eigentum der Gemeinde, wie sie dem voll- 
ständigen Besitzer überhaupt zur Seite steht, herleitet, welche durch Gegen- 
beweis entkräftet werden müßte “ 
Über die Haftung des Eigentümers einer dem öffentlichen 
Verkehr dienenden Straße bei Beschädigungen infolge mangelhafter 
Beschaffenheit oder Instandhaltung des Weges führt das RG. 54 
S. 57 ff. aus: 
„Das Reichsgericht hat in zahlreichen Fällen eine Haftbarkeit nicht bloß 
des privaten Eigentümers, sondern auch des Staates oder der Korporation 
dann als begründet anerkannt, wenn sie in einem Gebäude oder auf einem 
sonstigen Raume einen „Verkehr für andere eröffnet“ hatten. So ist diesfalls 
eine Pflicht zur Beleuchtung des Hauses oder Raumes, zur baulichen In- 
standhaltung, zum Bestreuen von Plätzen und Zugängen bei Glatteis in dem 
Sinne angenommen worden, daß durch Unterlassung der nötigen Fürsorge 
eine (privatrechtliche) Haftung für den entstandenen Schaden begründet wird, 
und namentlich ist des öfteren eine Schadensersatzpflicht des Eigentümers 
oder Unterhaltungspflichtigen wegen Vernachlässigung der Sorge für die 
Verkehrssicherheit öffentlicher Straßen und Wege ausgesprochen. 
Vgl. z. B. Bolze, Praxis des Reichsgerichts Bd. 4 S. 338; Entsch. 
des RG. in Zivils. Bd. 33 S. 225 ff., Bd. 38 S. 220, Bd. 48 S. 297; 
Seuffert, Archiv Bd. 49 Nr. 76; Jurist. Wochenschr. von 1901 
S. 585 Nr. 29, 1902 S. 377 Nr. 60, S. 149 Nr. 93, 94; Jurist. Wochen- 
schrift von 1903 Beil. 1 Nr. 20 S. 9. (Wegen Haftung des Fiskus in 
Ansehung der öffentlichen Straßen nach preußischem Recht vgl. Entsch. 
des RG. in Zivils. Bd. 44 S. 173ff. mit Bd. 40 S. 296.) 
Bei einzelnen dieser Fälle handelte es sich um Verletzung eines bestimmten 
Polizeigesetzes, so des § 367 Nr. 12, 14 St G. oder einer örtlichen Polizei- 
vorschrift. Aber auch da, wo ein spezielles Schutzgesetz nicht besteht, kann 
sich nach Umständen aus der durch die Rechtsordnung gebotenen Rücksicht- 
nahme auf die Interessen der Gesamtheit, auf die allgemeine Wohlfahrt oder 
den öffentlichen Verkehr eine Verpflichtung ergeben, der die Bedeutung einer 
gesetzlichen Zwangspflicht zukommt. 
Vgl. Linckelmann im Archiv für Bürgerliches Recht Bd. 13 S. 79ff. 
Eine Anderung dieser bisherigen Rechtsauffassung ist durch die Normen des 
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches nicht bedingt, keinesfalls aber in der 
Richtung, daß danach der Rechtsschutz auf dem fsraglichen Gebiet enger einzu- 
grenzen wäre. Im Gegenteil läßt sich aus den Bestimmungen des Bürger- 
lichen Gesetzbuchs, welche den Besitzer eines Grundstücks für eine von diesem 
ausgehende Beschädigung haftbar machen — insbesondere §8 836 —, der all- 
gemeine Grundsatz entnehmen, daß, entgegen dem prinzipiellen Standpunkte 
des römischen Rechts, jetzt ein jeder auch für Beschädigung durch seine Sachen 
insoweit aufkommen solle, als er dieselbe bei billiger Rücksichtnahme auf die 
Interessen des anderen hätte verhüten müssen, 
vgl. Urteil des erk. Senats vom 30. Okt. 1902 i. S. Br. w. preuß. 
Domänenfiskus, Rep. VI 208/212 — (RG. 52 Nr. 98), 
in welcher Entscheidung weiter ausgeführt ist, daß auf Grund des § 823 BE. 
eine außerkontraktliche Schadensersatzpflicht auch für rechtswidrige Unter- 
lassungen eintrete.
	        
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