§ 22. Wegerecht. 349
Es mag zu weit gehen, wenn der Eigentümer eines Grundstücks schon
da, wo er „den öffentlichen Verkehr über sein Grundstück duldet"“, für ver-
pflichtet erklärt wurde, Vorkehrungen zu treffen, daß das Passieren nicht zu
einem gefährlichen werde. Aber immerhin darf gesagt werden, daß derjenige,
welcher sein Grundstück zum öffentlichen Verkehr bestimmt und einrichtet,
verpflichtet ist, das in einer Weise zu tun, wie es den Anforderungen der Ver-
kehrssicherheit entspricht, daß ihm auch weiterhin eine Fürsorgepflicht in dieser
Richtung obliegt, und daß er also, wo er einen Weg dem Publikum zum freien
Gemeingebrauch gestellt hat und hierzu unterhält, für den Schaden aufzu-
kommen hat, der durch mangelhafte Instandhaltung oder Nichtbeseitigung
von Verkehrshindernissen verursacht wird. Eine privatrechtliche Verantwort-
lichkeit wird dadurch, daß dem Grundstücksbesitzer die Unterhaltung des Weges
als öffentlich-rechtliche Pflicht obliegt, nicht ausgeschlossen. Wird in
Vernachlässigung dieser Obliegenheit zugleich diejenige Sorgfalt verabsäumt,
welche im Rechtsverkehr nach dem bürgerlichen Gesetz zu beobachten ist, so
gehört die daraus erwachsende Haftung dem Gebiete des Privatrechts an,
und auf diesem Gebiet können auch die Korporationen des öffentlichen Rechts
keine gesonderte Rechtsstellung beanspruchen. Es ist nicht einzusehen, daß
eine Gemeinde von der Haftung, die eine Privatperson als Grundstücks-
besitzer treffen würde, um deswillen befreit sein sollte, weil das Grundstück ein
öffentlicher Weg ober Platz und der Gemeinde verwaltungsrechtlich die
Unterhaltung zugewiesen ist.
Allerdings kann weiterhin die grundsätzlich bestehende Fürsorgepflicht
nach Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt fraglich werden. Eine
allgemeine Regel hierüber, so hinsichtlich der Verpflichtung, öffentliche Wege
und Plätze zu beleuchten, bei Glatteis oder Schneeglätte zu bestreuent) usw.,
läßt sich nicht aufstellen; vielmehr bestimmt sich dies beim Mangel einer be-
stehenden Spezialvorschrift nach den Verhältnissen des Einzelfalles und nach
dem Maßstabe der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dabei kann es auf die
Art und den Umfang des an dem betreffenden Ort bestimmungsgemäß statt-
findenden Verkehrs, auf die sonstigen örtlichen Verhältnisse, auf die Tunlich-
keit und Wirksamkeit von Sicherungsmaßregeln ankommen.
Vgl. die Urteile des erk. Senats vom 18. Januar 1900 Rep. VI 346/99,
v. 25. Nov. 1901, Rep. VI 275/01, vom 4. Jan. 1902, Rep. VI 364/01,
in der Jurist. Wochenschr. von 1900 S. 164 Nr. 38, 1902 S. 149
Nr. 93, 94.“
c) Gemeingebrauch an öffentlichen Wegen.
Der Gemeingebrauch ist eine öffentlich-rechtliche Befugnis (OV.
63 S. 300).
Bezüglich der Land= und Heer straßen bestimmt § 7 IL 15 ALR.:
„Der freie Gebrauch der Land= und Heerstraßen ist einem
jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet.“
Dies gilt auch für die Gemeindewege (O. 10 S. 194).
Über die Grenzen dieses Verkehrs und das Nichtbestehen eines Rechtes,
zur Einlegung von Schienengeleisen in den Straßenkörper zugelassen
zu werden, führt das O. 10 S. 196 aus:
„„Der jedem zustehende freie Gebrauch der öffentlichen Wege zum Fort-
bringen seiner Sachen findet seine Grenze in der Bestimmung der öffentlichen
1) Jetzt gilt hierfür das Gesetz v. 1912.