Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

374 Besonderer Teil. 
a) Auf Grund des Art. 68 der Reichsverfassung wurde am 
31. Juli 1914 durch Kaiserliche Verordnung das Reichsgebiet mit 
Ausschluß Bayerns in Kriegszustand erklärt. In Ermangelung 
einer reichsrechtlichen Regelung dieser Materie gelten die Vorschriften 
des preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 über den Belagerungs- 
zustand, welches daher den rechtlichen Charakter eines provisorischen 
Reichsgesetzes hat 1). Das preußische Gesetz gilt — mit Ausnahme 
4. Gesetz, betr. die Verhaftung und Aufenthaltsbeschränkung auf 
Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes v. 4. Dezember 
1916 (Rl. S. 1329). Nach diesem Gesetz ist die Anordnung der Haft oder 
einer Aufenthaltsbeschränkung g gen einen Deutschen durch die vollziehende 
Gewalt auf Grund des Kriegs= und Belagerungszustandes nur dann zulässig, 
wenn sie zur Abwendung einer Gefahr für die Sicherheit des Reiches er- 
forderlich ist. Der Haftbefehl ist schriftlich zu erlassen. Rechtsmittel: Be- 
schwerde an das Reichsmilitärgericht. Aufhebung des Haftbefehls, wenn der 
Grund oder Zweck hinfällig wurde, wenn der Kriegs= oder Belagerungszustand 
aufgehoben ist oder nach Ablauf von 3 Monaten nach dem Tuge der Verhaf- 
tung, sofern nicht auf Grund erneuter Sachprüfung ein neuer Haftbefehl 
erging. Eotl. Entschädigungspflicht. 
5. Gesetz über den Kriegszustand v. 4. Dezember 1916 (Röl. S. 1331). Gegen- 
über den Anordnungen der Militärbefehlshaber wird eine militärische Zen- 
tralinstanz als Aufsichts= und Beschwerdestelle errichtet (gilt nicht für 
Bayern). Die näheren Anordnungen ergehen durch Kaiserl. Verordnung 
(vgl. Ziff. 6). 
6. Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über den Kriegszustand v. 4. De- 
zember 1916 (RGBl. S. 1332). Aufsichts= und Beschwerdestelle in Sachen 
der Ziff. 5 ist der Obermilitärbefehlshaber mit dem Sitze in Berlin. 
Über die weiteren Bestimmungen vgl. die Ausführungen im Toext. 
7. Bekanntmachung, betr. die Entschädigung für Verhaftung oder Aufenthalts- 
beschränkung auf Grund des Kriegs= und Belagerungszustandes v. 8. Februar 
1917. Das Reichsmilitärgericht hat durch Beschluß über die Zuerkennung 
eines Entschädigungsanspruches zu erkennen. Der Antrag auf Entschädigung ist 
binnen einer Ausschlußfrist von 6 Monaten seit Zustellung beim Militär- 
befehlshaber, der die Verhaftung oder Aufenthaltsbeschränkung angeordnet 
hat, oder — wenn ein Reichs= oder Landesbeamter sie angeordnet hat — bei 
der dem Beamten unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde anzubringen. Über 
den Antrag entscheidet die oberste Militärverwaltungsbehörde des Konrin= 
gentes, dem der Militäroberbefehlshaber z. Zt. der Anordnung angehörte: 
evtl. die zuständige oberste Reichsbehörde oder Landeszentralbehörde. Gegen 
die Entscheidung ist „Berufung auf den Rechtsweg“ zulässig. „Die Klage“ 
ist binnen einer Ausschlußfrist von 3 Monaten nach Zustellung der Entschei- 
dung zu erheben. Ausschließliche Zuständigkeit: Landgerichte. 
JFür die Schutzgebiete erging die Verordnung v. 1. August 1914 über den 
Ausnahmezustand in den Schutzgebieten Afrikas und der Südsee. In diesen 
Gebieten verhängt der Gouverneur den Ausnahmezustand; er kann au- 
ordnen, daß für dessen Dauer die vollziehende Gewalt der örtlichen Verwaltungs- 
behörden auf die selbständigen Militärbefehlshaber übergeht. Der Gouverneur trifft 
die erforderlichen Ausführungsbestimmungen. 
Für Bayern erging das Kriegszustandsgesetz v. 5. November 1912 und 6. August 
1914. Es ist dem preuß. Gesetz v. 1851 nachgebildet und als ausschließliches Landes- 
recht anzusehen (RG. in JW. 1916 S. 501/2). 
1) Vgl. RG. in Straff. 49 S. 116: gemäß Art. 68 PVerf. ist dem preuß. Gesetz 
von 1851 über den Belagerungszustand einstweilen die Eigenschaft eines Reichsgesetzes 
beigelegt, das nur auf Bayern gemäß der Schlußbestimmung zu Abschnitt XI RVerf. 
keine Anwendung findet.
	        
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