§ 23. Einfluß des Krieges auf das Verwaltungsrecht. 383
lichen Sicherheit erlassen sind, so daß für sie, selbst soweit sie
in das Gebiet der in §5 des B. bezeichneten verfassungsmäßig ge-
währleisteten Rechte fallen und diese für den Einzelfall ausschalten,
eine vorherige Außerkraftsetzung derselben durch Einführung des
verschärften Belagerungszustandes nicht erforderlich ist (ovgl. RG. in
JW. 45 S. 855).
Dieses auf §9b des Gesetzes beruhende Verordnungs= und Ver-
fügungsrecht des Militärbefehlshabers ist höchstpersönlicher Natur und
duldet keine Delegation, zumal nicht an Zivilbehörden, weil der
Befehlshaber für seine Anordnungen persönlich verantwortlich ist:
„Eine Übertragung der dem Militärbefehlshaber in §9b verliehenen
weitgehenden Befugnis zur Erlassung von Verboten im Interesse der öffent-
lichen Sicherheit kennt aber das Belagerungszustandsgesetz nicht. Der Wort-
laut des § 9gb zwingt zu der Auslegung, daß das Verbot, wenn es den straf-
rechtlichen Schutz jener Vorschrift genießen soll, vom Militärbefehlshaber
selbst erlassen sein muß. Hiervon abzugehen, verbietet auch die Erwägung,
daß das Gesetz vom 4. Juni 1851 einen Ausnahmczustand r gelt und daß die
Übereinstimmung des Verbots mit dem Willen des Milltärbefehlshabers nur
beim Ausschluß der Übertragungsmöglichkeiten gewährleistet ist.“ (RG. in
JW. 45 S. 337).
Und ferner:
#. eine Delegationsbefugnis des Militärbefehlshaber bezüglich des
nach 8 9b für sie begründeten Verordnungsrechts ist nicht anzuerkennen. Unter
dem Militärbefehlshaber im Sinne des 8 9b kann nur ein solcher verstanden
werden, der nach den Bestimmungen des B36. selbst zur Erklärung des
Belagerungszustandes berechtigt sein sollte, also, abgesehen von dem. Fall
des § 2, und der in § 1 des Gesetzes bezeichnete Festungskommandant und
Kommandierende General. In ihren Händen sollte die gesamte vollziehende
und militärische Gewalt vereinigt werden. Sie allein waren auch in der
Lage, schon bei Erklärung des Belagerungszustandes die in § 9b vorgesehenen
Verbote zu erlassen. Die außerordentlichen Befugnisse, die ihnen verliehen
waren, rechtfertigten deren Beschränkung auf die obersten Militärbefehlshaber
des in Frage kommenden Bezirks. Der Umstand, daß durch die spätere
Gesetzgelung (Art. 68 Reichsverf.) den gedachten Militärbefehlshabern das
Recht zur Erklärung des Belagerungszustandes wieder entzogen wurde,
ist für die Auslegung des BG. ohne Belang. Bei der großen Wichtigkeit
der ihnen beigelegten Befugnisse und mit Rücksicht darauf, daß das BB.
die Militärbefehlshaber für ihre Anordnungen persönlich verantwortlich macht
(§ 4 Abs. 2), ist anzunehmen, daß die ihnen eingeräumten außerordentlichen
Vollmachten dergestalt an ihre Person und an ihr Amt geknüpft waren, daß
sie nur von ihnen selbst und von ihren zuständigen Stellvertretern ausgeübt
werden konnten Zur Ausübung des Verordnungsrechts gehört aber nicht
nur die Feststellung des Inhalts der betreffenden Verordnung, sondern auch
deren Ausstattung mit verbindlicher Kraft, also die Erteilung des Befehls,
daß etwas geschehen solle, oder der Erlaß des Verbots, daß etwas nicht ge-
schehen dürfe. Freilich ist anzuerkennen, daß im einzelnen Fall unter beson-
deren Umständen infolge tatsächlicher Verhinderung des Kommandierenden
Generals dies Verordnungsrecht auch an untergeordnetere Militärbefehls-
haber, so beispielsweise an den einer abgeschnittenen Truppe und dermaßen
auch an den Garnisonältesten einer Stadt gelangen kann; immerhin würde