Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

Nachträge. 451 
L. mit 25 Mk. für die Kiste verkauft worden waren, für 29,38 Mk., 
dem damals üblichen, gegenüber den Friedenspreisen schon bedeutend 
gesteigerten Preise gekauft und noch im Oktober 1915 in B. unter 
Benutzung des Umstandes, daß dort die Ware zu erheblich höheren 
Preisen angeboten und gekauft wurde, zu einem Preise von durchschnitt- 
lich 37,88 Mk., also mit einem Aufschlag von 8,50 Mk. auf die Kiste, 
sonach mit einem Gewinn von 29 vom Hundert, verkauft. Die Ver- 
urteilung auf Grund des §5 Nr. 1 BRVO. vom 23. Juli 1915 hielt das 
RG. für gerechtfertigt. Das RG. führt hierzu a. a. O. aus: 
„Die Verordnung bezweckt, aus Gründen der Durchhaltung der Volks- 
ernährung während der Dauer des gegenwärtigen Krieges jeder übermäßigen 
Preissteigerung für Gegenstände des täglichen Bedarfs entgegenzutreten und 
begreift darunter insbesondere Nahrungsmittel aller Art, also auch kon- 
densierte Milch, wie das angefochtene Urteil auf tatsächlicher Unterlage an- 
nimmt, bereits im Oktober 1915 nicht ein Leckerbissen einzelner Personenkreise, 
sondern unter den veränderten Verhältnissen zu einem weitverbreiteten not- 
wendigen Nahrungsmittel geworden war. Die Entscheidung, ob im einzelnen. 
Falle ein übermäßiger Gewinn erzielt wird, ist nach der Verordnung unter 
Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse, insbesondere der Marktlage, 
zu treffen. · 
Hierbei ist die Strafkammer von richtigen Gesichtspunkten ausgegangen. 
Sie stellt zunächst die Erwerbungskosten fest und erwägt weiter, daß es dem 
Angeklagten von Anfang an nicht darauf ankam, das gekaufte Nahrungs- 
mittel den Verbrauchern zuzuführen, sondern es mit möglichst hohem Gewinn 
an Großhändler weiterzuveräußern. Er war Zwischenhändler, der die Ware 
da absetzte, wo sich für ihn der höchste Preis erzielen ließ. Deshalb verkaufte 
er nach Berlin. Ein solches Verhalten mag in Zeiten freien Angebots und 
freier Nachfrage nicht zu beanstanden sein. Es findet aber jetzt beim Mangel 
ausreichenden Angebots seine Begrenzung in dem höheren vaterländischen 
Zwecke der Volksernährung, vor dem das Einzelinteresse auf Erzielung 
möglichst hohen Gewinnes zurückzutreten hat. Nur ein mäßiger Gewinn 
ist erlaubt, d. h. ein solcher, der unter Berücksichtigung der gegebenen 
Verhältnisse immerhin in den Grenzen des auch zu Friedenszeiten üblichen 
ordentlichen Nutzens bleibt, einen auskömmlichen Verdienst gewährleistet und 
insbesondere das eigene Interesse nicht dem gemeinen Interesse auf Er- 
haltung erträglicher Preise für Nahrungsmittel und Gegenstände des täg- 
lichen Bedarfs voranstellt. Deshalb darf er auch nicht steigen im Verhältnis 
zu der durch die jetzige Sachlage entstandenen allgemeinen Preissteigerung. 
Denn das würde ein stetes Anwachsen der Verteuerung für die Verbraucher 
zur Folge haben. 
Dem Urteil ist auch nicht zu entnehmen, daß der Begriff „des Gewinnes“ 
im Sinne der Verordnung verkannt worden wäre. Darunter ist zu verstehen 
der Reingewinn, der sich nach Abzug der Gestehungs-, Ankaufs= oder Er- 
zeugungskosten, der allgemeinen und der besonderen Betriebsunkosten ergibt, 
wobei unter den letzteren auch die sich infolge der Kriegszeiten ergebenden 
höheren Sätze angerechnet werden können. Freilich erwähnt das Urteil in 
seinen Gründen solche Betriebsunkosten nicht ausdrücklich. Das läßt aber 
nur den Schluß zu, daß solche bei dem vorliegenden reinen Inlandzwischen- 
geschäft in keinem nennenswerten Betrag entstanden sind. Mit Recht mißt 
die Strafkammer dem Umstand eine besondere Bedeutung bei, daß der Preis 
für die Kiste kondensierter Milch im Inlandzwischenhandel während weniger 
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