40 Allgemeiner Teil.
III. Dem Verwaltungszwang unterliegen ferner der Staat,
sobald er als Subjekt von Privatrechten (Fiskus) in Frage kommt,
besonders als Grundstückseigentümer oder Gewerbetreibender. Nicht
aber ist die Polizei befugt, über kollidierende öffentliche Inter-
essen zu entscheiden; also z. B. dem Reichsmilitärfiskus Schieß-
übungen zu untersagen. Über Meinungsverschiedenheiten koordi-
nierter Instanzen in bezug auf Ausübung von Hoheitsrechten ent-
scheidet das Staatsministerium (Kabinettsorder vom 3. November 1817
wegen der Geschäftsführung bei den Oberbehörden.). Vgl. hierzu
OVG. 2 S. 399ff., wo zunächst ausgeführt wird, daß es der Polizei
ihrem Zwecke entsprechend obliegt, den bürgerlichen Verkehr zu
regeln und zu überwachen und die Freiheit des einzelnen insoweit
zu beschränken, als dies zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit
und Ordnung unerläßlich ist:
„Weiter unterliegt es keinem Zweifel, daß der Einwirkung der Polizei-
behörden zur Erfüllung jener Aufgaben nicht nur physische, sondern auch die
juristischen Personen unterworfen sind, soweit dies nach der beschränkten Rechts-
sphäre der letzteren überhaupt möglich ist, und daß unter diesen der Staat
als Subjekt von Privatrechten, der Fiskus als solcher, regelmäßig keine
Ausnahmestellung einnimmt. So findet denn auch fortgesetzt gegen den
Fiskus auf den verschiedenen Gebieten, auf denen derselbe als Eigentümer
von Grundstücken oder als Gewerbetreibender usw. in die Beziehungen des
bürgerlichen Lebens eintritt, wie beispielsweise auf den Gebieten der öffent-
lichen Armenpflege, der Wege-, Wasser-, Gewerbe-, Bau-Polizei usw. ein
polizeiliches Einschreiten der Orts= und Landespolizeibehörden statt.
Dem gegenüber irrt nun aber der Vorderrichter rechtsgrundsätzlich, in-
dem derselbe die Übung des Heeres in der Schußwaffe zum Zwecke der Er-
zielung seiner Kriegstüchtigkeit einem Akte des bürgerlichen Verkehrs und
die militärischen Dienststellen, welche diese Uübungen anordnen und leiten, den
einzelnen Rechtssubjekten, deren Freiheit der Beschränkung zugunsten der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Polizeibehörden unterliegt,
gleichstellt, und von dieser Gleichstellung aus zu dem Ergebnisse gelangt, daß
es zu den amtlichen Obliegenheiten der Ortspolizeibehörden gehöre, nach
ihrem Ermessen jenen militärischen Übungen entgegenzutreten, sobald die-
selben ihnen gemeingefährlich erscheinen.
Die Übungen des Heeres zur Erzielung seiner Kriegstüchtigkeit sind
Funktionen des Staatsdienstes in unmittelbarer Ausübung der Staats-(Mili-
tär-HHoheit ganz ebenso, wie die Ausübung der Polizeigewalt selbst. Indem
beide Zweige des Staatsdienstes den allgemeinen Endzwecken der Staats-
verwaltung (vgl. §§ 2 und 3 Tit. 3 Teil II ALR.) dienen, ist dadurch nicht
ausgeschlossen, daß dieselben in der Verfolgung der ihnen anvertrauten In-
teressen kollidieren. Eine derartige Kollision liegt hier vor, wo die Übung der
Truppen auf dem ihnen angewiesenen Schießplatze die Sicherheit eines
angrenzenden Amtsbezirks in offenbar weitgehendem Maße gefährdet; sie
ist auch sonst mannigfach möglich, wie beispielsweise bei herrschenden Seuchen,
Mißernten und dgl. den Märschen und Übungen der Truppen wesentliche
Bedenken im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ruhe polizeilicherseits
entgegenzustellen sein werden. Derartige Kollisionsfälle unterliegen regel-
mäßig nicht einseitigen Entscheidungen einzelner Staatsbehörden, und zwar