§ 4. Verwaltungszwang. 41
lediglich um deswillen nicht, weil das Gesetz, von Ausnahmezuständen ab-
gesehen, grundsätzlich keinem der kollidierenden öffentlichen Interessen eine
so absolute Bedeutung eingeräumt hat, daß demselben die anderen Rücksichten
des Staatswohls unbedingt zu weichen hätten, weil es also nach dieser Lage
der Gesetzgebung regelmäßig auf einen Ausgleich der kollidierenden öffent-
lichen Interessen nach Gesichtspunkten ankommt, welche das Staatswohl in
allen Beziehungen umfassen. Wäre dem nicht so, und vielmehr anzunehmen,
daß in solchen Fällen die Entscheidung von den Organen der Polizei allein
und einseitig zu treffen sei, so würde die Zuständigkeit hierzu nach Lage der
bisherigen Gesetzgebung, insbesondere nach §2 der Reg.--Instruktion vom
23. Oktober 1817 (GS. S. 248), welche die Lokalpolizei im wesentlichen
noch als grundherrliche berücksichtigt, umsomehr den Landespolizeibehörden zu
vindizieren sein, als es sich dabei regelmäßig um Gegenstände handelt,
deren Bedeutung, wenigstens nach ihrer militärischen Seite, weit über die
räumlichen Grenzen eines einzelnen Lokalpolizeibezirks hinausreicht.:)
In welchem Verfahren jener Ausgleich kollidierender öffentlicher In-
teressen zu suchen ist, kann sich, da dieselben von Staatsbehörden zu ver-
treten sind, nur aus dem gesetzlichen Organismus der Staatsverwaltung
ergeben. Dieser Organismus sichert die Möglichkeit einer Entscheidung auch
bei Meinungsverschiedenheiten koordinierter Instanzen, indem die Staats-
verwaltung, der Einheit der vollziehenden Gewalt entsprechend, unter der
Krone in einem einheitlichen Organe, dem Staatsministerium, gipfelt
(Allerh. Kab Ord. v. 3. Nov. 1817 wegen der Geschäftsführung bei den Ober-
behörden usw. Pos. VIII, 7, GS. S. 289).
Nach alle dem haben die Polizeibehörden regelmäßig nicht die Be-
fugnis, anderen ihnen nicht unterstellten, sondern koordinierten Staats-
behörden die Normen der Ausübung von Akten der Staatshoheit durch
einseitige, in polizeilichem Zwangsverfahren zu vollstreckende Anordnungen vor-
zuschreiben; Gegenstand dieser Anordnungen sind nicht die Kollisionen der
einzelnen Staatsbehörden in ihren ressortmäßigen Funktionen, sondern die
Kollisionen der Freiheit des einzelnen Rechtssubjekts im bürgerlichen Verkehr
mit dem öffentlichen Interesse. In jenen Fällen haben die einzelnen Polizei-
behörden, soweit ihnen nicht durch Spezialgesetze besondere Machtbefugnisse
eingeräumt worden sind, die ihnen anvertrauten Interessen nur durch das
Benehmen mit den sonst beteiligten Staatsbehörden, sowie durch Vor-
stellung und Beschwerde zu wahren.
Diese Rechtsgrundsätze haben allerdings nicht in besonderen gesetz-
lichen Bestimmungen Ausdruck gefunden; sie ergeben sich aber aus dem
Rechtsbegriffe der Polizei und aus der gesetzlich feststehenden Organisation
der Staatsverwaltung. In beiden Beziehungen sind dieselben auch nicht
dem Preußischen Polizeirechte und der Preußischen Staatsverfassung eigen-
tümlich, vielmehr gehören dieselben auch der Wissenschaft des modernen
Staatsrechts an . . . .“ (OVG. 2 S. 407 ff.)
IV. Die Zwangsmittel aus § 132 Nr. 1 und 2 — d. h. die
Ausführung durch einen Dritten oder die Festsetzung einer Strafe —
müssen vorher schriftlich angedroht werden und — wenn eine
1) In dem vorlicgenden Falle hatte der Amtsvorsteher, in dessen Amts-
bezirk bei Schießübungen des Militärs Kugeln über die Scheibenstände hinweg fort-
gesetzt eingeschlagen hatten, dem Militärfiskus das Unterlassen der Schießübungen
auf jenem Platze unter Androhung von Geldbußen aufgegeben.