Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 4. Verwaltungszwang. 47 
im Pr VerwBBl. Jahrg. 27 Nr. 3.) Vgl. auch die Entscheidungen des 
OVG. zum Impfzwang. 
Vgl. ferner das Urteil des Großherzogl. Oldenb. Oberverwal- 
kungsgerichts im Pr VerwBl. 33 S. 600: 
Der als Sozialdemokrat bekannte Kläger hatte eine rote Fahne 
gelegentlich der Hochzeitsfeier seines Sohnes, aus Anlaß der Maifeier 
und gelegentlich eines in seinem Lokal stattfindenden Konzertes aus 
seinem Hause ausgehängt. Die Polizeiverwaltung verbot ihm das 
weitere Aushängen der Fahne unter Androhung von Geldstrafen für 
jeden Fall der Zuwiderhandlung. Das Verwaltungsgericht hob diese 
Verfügung auf und das oldenburgische O. bestätigte die Ent- 
scheidung: 
„Vorweg ist zu untersuchen, ob die Androhung einer polizeilich zu ver- 
hängenden Geldstrafe, auf die es für die Durchsetzung der erlassenen Ver- 
fügung wesentlich ankommt und ohne die sie ihre Bedeutung verlieren würde, 
als statthaft, oder wie Kläger geltend macht, als unzulässig zu erachten ist, 
weil die verbotene Handlung durch ein öffentliches Strafgesetz, nämlich durch 
den groben Unfug-Paragraphen des St G. getroffen würde. Das Gericht 
hat früher . ausgesprochen, daß eine polizeiliche Verfügung, die lediglich 
ein vom Gesetz mit Strafe bedrohtes Verhalten nochmals mit einer polizeilich 
zu verhängenden Geldstrafe bedroht, unstatthaft sei und hält an dieser Auf- 
fassung auch jetzt noch fest. Dabei ist aber Voraussetzung die völlige Iden- 
tität der durch das Gesetz wie durch die Einzelanordnungen erforderten 
Handlung. Wie daneben die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die 
Androhung einer Exekutivstrafe zum Zwecke der Beseitigung der Fortdauer 
eines polizeiwidrigen Zustandes immer zulässig bleibt, so fehlt dem Grund- 
satz „ne bis in idem“ auch dann die Anwendungsmöglichkeit, wenn das 
„idem' nicht vorliegt, das Einzelverbot und die durch die Strafnorm getrof- 
fene Handlung sich nicht decken. Es läßt sich nun nicht wohl bezweifeln, 
daß das demonstrative Aushängen einer roten Fahne als sozialdemokratisches 
Sinnbild eine Störung der öffentlichen Ordnung herbeizuführen und den 
Tatbestand des § 360 Ziff. 11 St GBB. (grober Unfug) zu erfüllen geeignet 
ist; wie vom Reichsgericht im Falle des Tragens einer solchen Fahne bei einem 
Aufzuge, wenn die Beteiligung als eine sozialdemokratische Demonstration in 
bewußter Weise unternommen wird, wiederholt anerkannt ist — (Pr Verw Bl. 13 
S. 331, RG. in Strafs. 23 S. 208). — Die Strafnorm des 8 360 Ziff. 11 
setzt aber voraus, daß bei dem Aushängen einer roten Fahne der Vorsatz 
auf Störung des äußeren Bestandes der öffentlichen Ordnung gerichtet ist, 
während die angefochtene polizeiliche Verfügung schon das bloße Aus- 
hängen einer solchen mit Strafe bedroht, also auch dann anwendbar sein soll, 
wenn der Täter an eine solche Belästigung nicht gedacht hat. Die durch 
§ 360 Ziff. 11 unter Strafe gestellte Handlung und das in der polizeilichen 
Verfügung enthaltene Verbot decken sich also nicht. Die Verfügung ist deshalb 
an sich als zulässig zu erachten.“ 
Weiter wird ausgeführt, daß die Polizei auch eine staatsfeind- 
liche Demonstration nur dann verbieten darf, wenn sie durch die beson- 
deren Umstände, unter denen sie geschieht, zu einer Gefahr für die 
öffentliche Sicherheit und Ordnung wird. Dies könne die Polizei nur 
im Einzelfalle unter Berücksichtigung der besonders gelegenen Um-
	        
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