Full text: Preußisches Verwaltungsrecht.

§ 4. Verwaltungszwang. 51 
So O#G. im Prerwl. 32 S. 346—350: 
„Der Kläger, welcher auf Grund des §14 Abs. 2 des Impfgesetzes 
bestraft zu sein behauptet, danach also bereits einmal eine Aufforderung zur 
Nachholung der Impfung des Kindes erhalten hat, bezeichnet den Erlaß der 
zweiten Aufforderung als unzulässig. Es kann dahingestellt bleiben, ob die 
Nichtachtung der wiederholten Aufforderung, was von dem Kammerg richt in 
der Entsch. vom 10. November 1892 (Johow ZBd. 12 S. 375) bejaht, von 
den Oberlandesgerichten in Düsseldorf und Celle in den vom Kläger in je 
einem Abdruck überreichten Entscheidungen verneint wird, unter Strafe 
gestellt ist. Denn in vorliegendem Verfahren handelt es sich nur darum, ob 
die polizeiliche Verfügung statthaft war oder nicht. Der § 4 des Impfge- 
setzes bestimmt nun für den Fall, daß die Impfung ohne gesetzlichen Grund 
unterblieben sei, daß sie nachzuholen „ist“. Das Gesetz vertritt damit den 
Standpunkt, daß ein Zustand, wonach ein Kind ohne gesetzlichen Befreiungs- 
grund der Impfung entzogen bleibt, mit den Interessen der öffentlichen Ge- 
sundheitspflege unvereinbar sei. Indem es ferner bestimmt, daß ein Kind, 
das ohne Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit nicht geimpft werden 
kann, gleichwohl der Impfung zu unterziehen ist, sobald der diese Gefahr be- 
gründende Zustand aufgehört hat (8§ 2), sowie daß eine Impfung, wenn 
sie erfolglos geblieben ist, zu wiederholen sei (§8 3, 10), benimmt das 
Gesetz jeden Zweifel darüber, daß die Impfung — von Befreiungsgründen 
abgesehen — unerläßlich sei. Zur Herbeiführung eines dem Gesetze ent- 
sprechenden Zustandes, den die sanitäre Sicherheit gebietet, ist die Polizei 
berufen. Und gerade für den Fall, daß die Unterlassung der Impfung 
nur nach Nichtachtung der ersten entsprechenden Aufforderung einer Be- 
strafung unterstellt sein sollte, bietet das polizeiliche Einschreiten den allein 
gewiesenen Weg, um der gesetzlichen Anforderung zur Durchführung zu 
verhelfen. 
Denn die Annahme, daß das Impfgesetz ein polizeiliches Einschreiten 
ausschließe, findet in seinen Vorschriften keine Stütze. Das Gegenteil läßt 
sich auch aus § 18 Abs. 3, lautend: 
„Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über 
Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer Pockenepidemie werden durch 
dieses Gesetz nicht berührt“ 
nicht entnehmen. Aus dem Umstand, das hier die nach Landesrecht bestehen- 
den Bestimmungen über die Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer 
Pockenepidemie aufrecht erhalten werden, läßt sich nicht folgern, daß eine 
Impfung im Zwangswege auf die Fälle beschränkt ist, wo sie unter jener 
Voraussetzung nach Landesrecht zulässig war. Eine solche Beschränkung 
würde auch mit der Absicht des Impfgesetzes nicht in Einklang zu bringen 
sein. Wenn es an der Möglichkeit fehlen würde, die Impfung eines nach 
dem Impfgesetze Impfpflichtigen zwangsweise herbeizuführen, so würde in 
allen Fällen, wo die Strafbestimmungen des § 14 keinen indirekten Zwang 
auszuüben vermögen, die Impfung unterbleiben und damit ein Zustand ge- 
schaffen werden, den das Gesetz bekämpft. « 
(Die Entscheidung verweist auf die Entstehungsgeschichte des Ge— 
setzes und die Entscheidungen des OVG. Bd. 23 S. 384 und Bd. 28 
S. 396, in denen dieselbe Ansicht vertreten wird.) 
„Zur Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes ist die Polizei jederzeit 
und solange einzuschreiten befugt, als der gesetzwidrige Zustand dauert. Es 
versteht sich auch von selbst, daß überall da, wo ein Reichsgesetz die Aus- 
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